Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
nicht die Nadel gefunden hätte, die ihm hinuntergefallen war. Das brachte mich auf den Gedanken, die Perlen könnten von der Kette gelöst worden sein, und der Rest war dann ganz einfach. Ich habe die Perlen letzte Nacht vom Mistelzweig gepflückt – der Verschluß war übrigens auch da; den hatte er zwischen die Stechpalmenblätter gesteckt. Hier sind die Perlen. Comphrey muß heute früh einen bösen Schrecken bekommen haben. Daß er unser Mann war, wußte ich in dem Moment, als er den Vorschlag machte, die Gäste sollten den Weihnachtsschmuck eigenhändig abnehmen, erst recht, als er selbst den Hinteren Salon übernehmen wollte
– aber ich hätte zu gern sein Gesicht gesehen, als er an den Mistelzweig kam und die Perlen nicht mehr vorfand.«
»Und das war Ihnen alles klar, als Sie die Nadel fanden?« fragte Sir Septimus.
»Ja. Da wußte ich, wohin die Perlen gekommen waren.«
»Aber Sie haben nicht einmal zu dem Mistelzweig hinaufgeschaut.«
»Er spiegelte sich in dem schwarzen Glasboden, und da fiel mir auf einmal auf, wie sehr die Mistelbeeren doch Perlen glichen.«
Gift im Glas
Eine Montague Egg-Geschichte
»Guten Morgen, Miss«, sagte Mr. Montague Egg, als die Tür aufging, und riß mit theatralischer Gebärde seinen schicken Filzhut vom Kopf. »Sehen Sie, da bin ich wieder. Sie haben mich doch nicht vergessen? Gut so, denn eine junge Dame wie Sie könnte ich in hundert Jahren nicht vergessen. Wie geht’s denn Seiner Lordschaft heute? Ob er mich wohl auf ein paar Minütchen empfangen wird?«
Er lächelte liebenswürdig, getreu dem Motto Nummer zehn im Handbuch des Reisenden, das da lautete: »Geschäfte gehen allzumal am besten übers Personal.«
Das Hausmädchen indessen wirkte nervös und betreten. »Ich weiß nicht – doch, ja, treten Sie bitte ein. Seine Lordschaft – das heißt – ich fürchte –«
Mr. Egg, den Musterkoffer in der Hand, trat prompt ins Haus und sah sich zu seiner großen Überraschung einem Polizisten gegenüber, der ihn recht verdrießlich nach seinem Namen und Begehr fragte.
»Ich bin Reisevertreter von Plummet & Rose, Weine und Spirituosen, in Piccadilly«, antwortete Mr. Egg im Tone dessen, der nichts zu verbergen hat. »Hier ist meine Karte. Was ist denn los, Sergeant?«
»Plummet & Rose?« meinte der Polizist. »Ach, dann nehmen Sie doch bitte einen Augenblick Platz, ja? Ich könnte mir vorstellen, daß der Inspektor gern ein Wörtchen mit Ihnen reden möchte.«
Mr. Egg wunderte sich zwar mehr und mehr, setzte sich jedoch gehorsam hin, und Minuten später wurde er in ein kleines Wohnzimmer gebeten, in dem sich schon ein uniformierter Polizeiinspektor und noch ein weiterer Polizist mit Notizbuch befanden.
»Aha!« sagte der Inspektor. »Nehmen Sie doch bitte Platz, Mr. – äh, ach ja – Egg. Sie könnten uns vielleicht ein wenig Licht in diese Angelegenheit bringen. Wissen Sie zufällig etwas von einer Kiste Portwein, die letztes Frühjahr an Lord Borrodale geliefert wurde?«
»Gewiß«, antwortete Mr. Egg, »falls Sie den Dow 1908 meinen. Dieses Geschäft habe ich selbst abgeschlossen. Sechs Dutzend à 192 Shilling das Dutzend. Bei mir persönlich bestellt am 3. März. Am 8. März von unserer Hauptniederlassung abgesandt, Empfang bestätigt am 10. März, Rechnung mit Scheck beglichen. Alles in Ordnung, soweit es uns betrifft. Es ist doch hoffentlich nichts mit dem Wein? Wir haben keine Beschwerde bekommen. Eigentlich bin ich jetzt sogar hier, um Seine Lordschaft zu fragen, wie ihm der Portwein gemundet hat und ob er vielleicht eine weitere Bestellung aufzugeben wünscht.«
»So so«, meinte der Inspektor. »Sie kommen also heute rein zufällig auf ihrer gewohnten Runde hier vorbei? Ohne besonderen Anlaß?«
Mr. Egg, inzwischen überzeugt, daß hier etwas sehr im argen lag, zückte zur Antwort sein Auftragsbuch nebst Reiseplan und reichte beides dem Inspektor.
»Tja«, machte der Inspektor nach kurzer Prüfung. »Das ist allem Anschein nach in Ordnung. Nun, Mr. Egg, ich muß Ihnen zu meinem Bedauern sagen, daß Lord Borrodale heute morgen tot in seinem Arbeitszimmer gefunden wurde, und die Umstände legen die Vermutung nahe, daß er Gift zu sich genommen hat. Zudem hat es mehr und mehr den Anschein, daß ihm das Gift in einem Glas von Ihrem Portwein verabreicht wurde.«
»Was Sie nicht sagen!« rief Mr. Egg ungläubig. »Das
betrübt mich aber sehr. Auch für unser Haus ist das gewiß
nicht gut. Was nicht heißen soll, daß mit dem Wein etwas nicht in
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