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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sind sie. Dreieinhalb Dutzend, wie Sie sagen. Ein trauriger Gedanke, daß die Kehle, durch die sie hätten fließen sollen, sozusagen vom Tod verschlossen wurde. Ich mache mir auf meinen Runden oft Gedanken darüber, wie schade es doch ist, daß wir im Alter nicht ebenfalls reifer und milder werden wie dieser Wein. Lord Borrodale war nach allem, was ich gehört habe, ein feiner alter Herr, allerdings auch ein harter Brokken, wenn es nicht respektlos ist, so etwas zu sagen.«
    »Er war hart, Sir«, pflichtete der Butler ihm bei, »aber gerecht. Ein sehr gerechter Mann.«
    »Eben«, meinte Mr. Egg. »Und hier, das ist demnach das Leergut. Zwölf, vierundzwanzig, neunundzwanzig – und eine macht dreißig – und dreieinhalb Dutzend, das sind zweiundvierzig – zusammen zweiundsiebzig, sechs Dutzend – das scheint zu stimmen.« Er hob die Flaschen nacheinander hoch. »Es heißt ja, Tote reden nicht, aber leere Flaschen reden – jedenfalls zum lieben Monty Egg. Zum Beispiel diese Flasche hier. Wenn sich darin je ein Dow ’08 von Plummet & Rose befand, dürfen Sie mich in die Pfanne schlagen und zu Rührei verarbeiten. Der Geruch stimmt nicht, der Bodensatz stimmt nicht, und dieser Klecks Tünche stammt auch nicht von unserm Kellermeister. Leere Flaschen kann man ja so leicht verwechseln. Zwölf, vierundzwanzig, achtundzwanzig und eine macht neunundzwanzig. Nun frage ich mich aber, wo die dreißigste Flasche geblieben ist.«
    »Ich habe bestimmt keine weggenommen«, beteuerte der Butler.
    »Die Schlüssel – an einem Nagel hinter der Tür zum Anrichteraum – leicht zugänglich«, meinte Monty.
    »Einen Augenblick«, unterbrach der Inspektor. »Wollen Sie damit sagen, daß diese Flasche nicht zur selben Sendung Portwein gehört?«
    »Ganz recht – aber zweifellos liebte Lord Borrodale hin und wieder eine Abwechslung.« Mr. Egg drehte die Flasche um und schüttelte sie kräftig. »Vollkommen trocken. Sehr merkwürdig. Und eine tote Spinne auf dem Boden. Sie würden sich wundern, wie lange eine Spinne ohne Nahrung auskommt. Seltsam, daß diese Flasche, die mitten in der Reihe steht, trockener sein soll als die am Anfang der Reihe, und dann ist auch noch eine tote Spinne darin. In unserem Beruf bekommen wir so einiges an Merkwürdigkeiten zu sehen, Inspektor – wir sind gewissermaßen darauf geeicht, so etwas zu bemerken. ›Wer die Augen offen hält, findet auch das große Geld.‹ Diese Flasche hier kann man schon als Merkwürdigkeit bezeichnen. Und noch etwas ist merkwürdig. Diese andere Flasche, Craven – die eine, die Sie gestern abend geöffnet haben – wie konnte Ihnen nur ein solcher Fehler unterlaufen? Wenn ich meiner Nase trauen kann, von meinem Gaumen ganz zu schweigen, war diese Flasche schon mindestens eine Woche offen.«
    »Kann das sein, Sir? Ich bin ganz sicher, daß es die war, die ich hier ans Ende der Reihe gestellt habe. Da muß jemand hingegangen sein und sie vertauscht haben.«
    »Aber –«, begann der Inspektor. Dann hielt er mitten im Satz inne, als ob ihm plötzlich ein Gedanke gekommen wäre. »Ich glaube, Sie händigen mir am besten Ihre Kellerschlüssel aus, Craven, damit wir den Keller gründlich untersuchen können. Das wär’s im Augenblick. Wenn Sie noch einmal mit mir nach oben kommen könnten, Mr. Egg
    – ich habe etwas mit Ihnen zu bereden.«
    »Stets gern zu Diensten«, antwortete Monty liebenswürdig, und sie kehrten gemeinsam ans Tageslicht zurück.
    »Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, Mr. Egg«, begann der Inspektor, »was Sie da eben gesagt haben, beziehungsweise welche Folgerungen sich daraus ergeben. Wenn diese Flasche, wie Sie sagen, nicht die richtige ist, muß jemand sie absichtlich vertauscht haben, und die richtige ist verschwunden. Hinzu kommt, daß der- oder diejenige, die den Tausch vornahm, keine Fingerabdrücke hinterlassen hat.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Mr. Egg, der diesen Schluß schon vor geraumer Zeit gezogen hatte, »und es sieht außerdem so aus, als ob das Gift eben doch in der Flasche gewesen wäre. Das sind, wie Sie eben sagen wollten, höchst unerfreuliche Aussichten für Plummet & Rose, nachdem doch kein Zweifel besteht, daß unser Siegel auf der Flasche war, als sie in Lord Borrodales Zimmer gebracht wurde. Ich leugne es nicht, Inspektor. Da hilft kein Jammern und kein Wehgeschrei, an Tatsachen führt nun mal kein Weg vorbei – ein sehr nützliches Motto für jeden, der es in meinem Gewerbe zu etwas bringen will.«
    »Nun gut, Mr.

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