Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Egg«, meinte der Inspektor lachend, »aber was sagen Sie zu der nächsten Folgerung, die sich daraus ergibt? Da niemand außer Ihnen ein Interesse daran haben konnte, die Flaschen zu vertauschen, sieht es doch ganz so aus, als müßte ich nun Ihnen die Handschellen anlegen.«
»Das ist aber eine häßliche Folgerung, Inspektor«, protestierte Mr. Egg, »und ich kann nur hoffen, daß Sie den Worten nicht die Tat folgen lassen. So etwas würde mir gar nicht gefallen, und meine Firma wäre sicher ebenfalls nicht begeistert. Fänden Sie es nicht auch nützlich, bevor wir etwas tun, was wir bereuen könnten, uns einmal den Heizungskeller anzusehen?«
»Warum den Heizungskeller?«
»Weil«, sagte Mr. Egg, »Craven auf die Frage, wo jemand etwas versteckt haben könnte, was er gern loswerden wollte, ihn als einzigen Ort nicht erwähnt hat.«
Diese Überlegung schien dem Inspektor einzuleuchten. Er rief ein paar Konstabler zu Hilfe, und wenig später wurde die Asche der Heizungsanlage gründlich durchgesiebt. Das erste, was sie fanden, war ein dicker Klumpen halbgeschmolzenes Glas, das durchaus einmal eine Portweinflasche gewesen sein konnte.
»Sieht fast so aus, als ob Sie recht hätten«, sagte der Inspektor, »aber ich sehe noch nicht, wie wir da etwas beweisen könnten. Nikotin finden wir darin bestimmt nicht mehr.«
»Das fürchte ich auch«, pflichtete Mr. Egg ihm betrübt bei. »Aber –« seine Miene hellte sich auf – »wie wär’s denn hiermit?«
Er klaubte aus dem Sieb, durch das ein Konstabler die Asche schüttelte, ein dünnes Stück verbogenes und verdrehtes Metall, an dem noch ein verkohltes Stück Knochen hing.
»Was in aller Welt ist das denn?«
»Sieht nicht nach viel aus, aber ich könnte mir denken, daß es einmal ein Korkenzieher war«, antwortete Mr. Egg sanft. »Es hat so etwas Anheimelndes und Vertrautes an sich. Und wenn Sie es sich einmal ansehen, stellen auch Sie vielleicht fest, daß der metallene Teil hohl ist. Und es würde mich gar nicht überraschen, wenn der dicke knöcherne Griff ebenfalls innen hohl wäre. Er ist natürlich stark verkohlt, aber wenn Sie ihn aufspleißen und einen Hohlraum darin finden, vielleicht sogar noch ein bißchen geschmolzenes Gummi – nun, das würde doch einiges erklären.«
Der Inspektor klatschte sich auf den Schenkel.
»Beim Himmel, Mr. Egg!« rief er. »Ich glaube, jetzt verstehe ich, worauf Sie hinauswollen. Sie meinen, wenn jemand diesen Korkenzieher ausgehöhlt und einen Gummibehälter hineingesteckt hätte, etwa wie in einem Füllfederhalter, und diesen mit Gift gefüllt, dann hätte man durch Druck auf irgendeinen Auslöser das Gift durch den hohlen Schaft in die Flasche fließen lassen können?«
»So ist es«, sagte Mr. Egg. »Der Korkenzieher hätte natürlich sehr vorsichtig eingedreht werden müssen, um die Röhre nicht zu beschädigen, und diese hätte so lang sein müssen, daß sie über die Korkenunterseite hinausreichte, aber es hätte funktionieren können. Mehr als das – es hat funktioniert, denn wozu wäre sonst dieses kleine Loch hier im Metall, etwa einen halben Zentimeter oberhalb der Spitze? Normalerweise sind in Korkenziehern keine Löcher – jedenfalls kenne ich dergleichen nicht, und ich bin doch gewissermaßen mit Korkenziehern aufgewachsen.«
»Aber wer hätte in diesem Fall –?«
»Natürlich derjenige, der den Korken herausgezogen hat, meinen Sie nicht? Der, dessen Fingerabdrücke auf der Flasche waren.«
»Craven? Aber was hätte er denn für ein Motiv gehabt?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Mr. Egg. »Aber Lord Borrodale war Richter, und dazu ein strenger Richter. Wenn Sie Cravens Fingerabdrücke einmal zu Scotland Yard schicken, wird man sie dort vielleicht wiedererkennen. Ich weiß es nicht. Aber es wäre doch möglich, oder? Vielleicht weiß aber auch Miss Waynfleet etwas über ihn. Oder es könnte sogar sein, daß er in Lord Borrodales Memoiren vorkommt, an denen dieser ja gerade schrieb.«
Der Inspektor ging diesen Anregungen unverzüglich nach. Allerdings konnten weder Scotland Yard noch Miss Waynfleet irgend etwas gegen Craven vorbringen, der seine Stellung vor zwei Jahren angetreten und stets zur allseitigen Zufriedenheit ausgefüllt hatte, doch als sie sich anhand der Unterlagen mit Lord Borrodales richterlicher Laufbahn befaßten, stellte sich heraus, daß er vor etlichen Jahren einmal einen jungen Mann namens Craven, einen gelernten Metallarbeiter, der angeklagt war, seinen Arbeitgeber
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