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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Postzug zu nehmen, und die offene Tür und die verstreuten Kleidungsstücke nur dem Zweck gedient hatten, die Polizei auf eine falsche Fährte zu locken. Was hatte er dann wohl getan, als er feststellte, daß der Postzug schon fort war? Da hatte er doch nur den Bahnhof verlassen und auf den nächsten Zug warten können. Aber durch die Sperre hatte er den Bahnhof nicht verlassen, und gewissenhafte Erkundigungen überzeugten Mr. Peacock, daß es außerordentlich schwierig für ihn gewesen wäre, das Bahnhofsgelände unbeobachtet über die Geleise zu verlassen oder sich bis zum nächsten Morgen dort herumzudrücken. Erst in der Woche zuvor hatte es einen traurigen Selbstmord gegeben, so daß das Bahnpersonal ein wachsames Auge für Fahrgäste auf Abwegen hatte, die womöglich den Versuch machen könnten, die Gleisanlage zu betreten; außerdem wollte es der Zufall, daß um die fragliche Zeit gerade zwei Plattenlegertrupps bei Fackelschein an strategisch günstigen Stellen arbeiteten. So konnte Peacock, ohne diesen Zweig der Ermittlungen ganz und gar aufzugeben, ihn doch als Routinearbeit seinen Untergebenen überlassen und sich selbst der zweiten Hauptmöglichkeit zuwenden, die ihm zwar schon durch den Kopf gegangen, gegenüber den Spekulationen um den Postzug aber in den Hintergrund getreten war.
    Dies war die Möglichkeit, daß Simon Grant den Expreßzug überhaupt nicht verlassen hatte, sondern geradewegs bis nach Euston durchgefahren war. London hatte als Ort zum Untertauchen große Vorzüge – und was hätte Grant, nachdem sein erster Plan schiefgegangen war, Besseres tun können, als wieder in den Expreß zu steigen und die Fahrt fortzusetzen? Wahrscheinlich hatte ihm, noch ehe er in Rugby eintraf, ein Blick auf die Uhr gezeigt, daß der Postzug vermutlich weg war; eine rasche Nachfrage und ein eiliger Abstecher zum Fahrkartenschalter, und schon konnte er die Reise fortsetzen.
    Das einzig Störende an dieser Theorie war, daß Chefinspektor Peacock, als er die Beamten der Fahrkartenausgabe befragte, von diesen die bestimmte Auskunft erhielt, daß an dem fraglichen Abend nach 22.15 Uhr überhaupt keine Fahrkarte mehr verkauft worden war. Auch war kein Fahrgast ohne Fahrkarte in Euston angekommen. Und die Möglichkeit, daß ein Komplize auf dem Bahnsteig gestanden haben könnte, mußte jetzt fallengelassen werden, da der ursprüngliche Fluchtplan keinen Komplizen vorsah und man vernünftigerweise nicht annehmen konnte, daß für den Eventualfall einer Panne eben doch einer bereitgestanden haben könnte.
    Aber, sagte sich der Chefinspektor, vielleicht war diese Panne eben doch eingeplant gewesen, und man hatte für diesen Fall schon eine Fahrkarte im voraus gekauft. Dies wäre dann außerordentlich schwierig nachzuweisen gewesen, da die Zahl der ausgegebenen Fahrkarten mit der Zahl der Passagiere übereinstimmte. Trotzdem ließ Peacock in einer Großaktion alle in den letzten Wochen vor Grants Verschwinden in London, Birmingham, Coventry und Rugby ausgegebenen Fahrkarten überprüfen, weil er sich sagte, daß dabei vielleicht eine Rückfahrkarte ans Tageslicht kommen könnte, die erst längere Zeit nach der Ausgabe benutzt worden war, was ihm für die weiteren Ermittlungen wieder etwas in die Hand geben würde. Zusätzlich ließ er einen Aufruf über den Rundfunk verbreiten, und so kam es, daß schließlich auch Mr. Montague Egg in den Sog der Ermittlungen geriet.
    » An den Herrn Polizeipräsidenten. – Werter Herr«,
    schrieb Mr. Egg in seiner säuberlichen Handschrift, »wie ich der Tagespresse und den Meldungen der BBC entnehme, wünschen Sie, daß alle Personen sich bei Ihnen melden, die am 4. d. M. den Birmingham-LondonExpreß um 21.05 Uhr benutzt haben, weshalb ich Ihnen mitteile, daß ich an dem genannten Tag mit selbigem Zug (3. Klasse) von Coventry nach Euston gefahren bin und Ihnen für Ihre Ermittlungen gern zur Verfügung stehe. Da ich als Reisevertreter des Hauses Plummet & Rose, Weine und Spirituosen, Piccadilly, zur Zeit nicht an meinem ständigen Wohnsitz erreichbar bin, erlaube ich mir, ein Verzeichnis der Hotels beizufügen, in denen ich in nächster Zukunft abzusteigen gedenke, und verbleibe mit vorzüglicher Hochachtung …«
    Infolge dieses Briefes wurde Mr. Egg eines Abends auf geheimnisvolle Weise aus dem Besprechungsraum des Hotels zur »Katze und Fiedel« in Oldham herausgerufen, weil ein Mr. Peacock ihn zu sprechen wünschte.
    »Sehr erfreut«, sagte Mr. Egg, der von einer Großbestellung

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