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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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für Weine und Spirituosen bis hin zu einer vergessenen Bekanntschaft mit Leidensgeschichte auf alles gefaßt war.
    »Monty der Schnelle, schon zur Stelle. Womit kann ich Ihnen dienen, Sir?«
    Chefinspektor Peacock wollte offenbar alles nur Erdenkliche über Mr. Egg, seine Lebensumstände und – dies vor allem – seine jüngste Reise in die Hauptstadt wissen. Monty entledigte sich gekonnt der Einleitung und erwähnte sogleich, daß er rechtzeitig am Bahnhof gewesen und deshalb sofort in den Genuß eines Sitzplatzes gekommen sei, als der Zug einfuhr.
    »Und darüber war ich recht froh«, fügte er hinzu. »Ich reise nämlich gern bequem, und der Zug war doch ziemlich voll.«
    »Daß er voll war, weiß ich«, seufzte Mr. Peacock. »Kein Wunder auch, wenn ich Ihnen sage, daß wir sämtliche Fahrgäste dieses Zuges ausfindig machen und möglichst viele von ihnen persönlich befragen sollen.«
    »Da haben Sie ja was zu tun«, sagte Mr. Egg mit dem Respekt dessen, der weiß, wovon er redet. »Soll das heißen, Sie haben sich mit jedem einzelnen von ihnen in Verbindung gesetzt?«
    »Mit jedem einzelnen«, sagte Mr. Peacock, »einschließlich mehrerer lästiger Wichtigtuer, die überhaupt nicht im Zug waren, aber auf diese Weise in die Schlagzeilen zu kommen hofften.«
    »Ja, das gibt’s«, sagte Monty. »Was möchten Sie übrigens trinken?«
    Mr. Peacock bedankte sich und ließ sich zu einem kleinen Whisky mit Soda herab. »Wissen Sie zufällig noch, in welchem Teil des Zuges Sie saßen?«
    »Gewiß«, antwortete Mr. Egg prompt. »Dritte Klasse Raucher, Mitte des Wagens, Mitte des Zuges. Da sitzt man nämlich im Falle eines Unglücks am sichersten. Eckplatz auf der Gangseite, Blick in Fahrtrichtung. Mir gegenüber ein Bild des Yorker Münsters, das gerade von zwei Damen und einem Herrn in Kostümen der Jahrhundertwende aufgesucht wird. Das ist mir besonders aufgefallen, weil alles andere an dem Zug modern war. Was ich bedauerte.«
    »Hm«, machte Mr. Peacock. »Können Sie sich erinnern, wer ab Coventry außer Ihnen noch in diesem Abteil saß?«
    Monty kniff die Augen zusammen, als wollte er seine Erinnerungen durch die Lider herauspressen.
    »Neben mir ein untersetzter, rotgesichtiger, kahlköpfiger Mann im Tweedanzug, sehr schläfrig. Hatte wohl zu tief ins Glas geschaut. Saß schon ab Birmingham im Zug. Neben ihm ein schlaksiger junger Bursche mit Pickeln und sehr schäbiger Melone. Er war nach mir eingestiegen und über meine Füße gestolpert. Sah aus wie ein Büroangestellter. Und auf dem Fensterplatz ein junger Matrose – der saß schon da, als ich zustieg. Redete die ganze Zeit mit dem Mann auf dem Fensterplatz gegenüber, der aussah wie ein Pfarrer – umgedrehter Hemdkragen, Priesterhut, Walroßschnurrbart, dunkle Brille, aufgedunsene Wangen und so eine herablassende Art zu reden. Neben ihm – ach ja, da saß so einer, der eine ganz besonders übelriechende Pfeife rauchte – könnte ein kleiner Handwerker gewesen sein, aber viel habe ich von ihm nicht gesehen, weil er fast die ganze Zeit in der Zeitung las. Dann saß da noch so ein netter, unauffälliger älterer Herr, der dringend einen Haarschnitt benötigte. Er hatte einen Kneifer auf der Nase – ganz schief – und hob nicht ein einziges Mal den Blick von einem sehr gelehrt aussehenden Buch. Und mir gegenüber saß einer mit fülligem braunem Bart, gelbem Capemantel und großem weichem Filzhut – sah ausländisch aus. Er saß seit Birmingham im Zug, der Pfarrer auch, aber die beiden andern auf dieser Seite waren nach mir eingestiegen.«
    Der Chefinspektor lächelte, während er in seinem dicken Stapel Papiere blätterte. »Sie sind ein hervorragender Zeuge, Mr. Egg. Ihre Schilderung stimmt genau mit denen Ihrer sieben Mitreisenden überein, aber die Ihre ist als einzige vollständig. Sie scheinen ein guter Beobachter zu sein.«
    »Mein Beruf«, antwortete Monty selbstzufrieden.
    »Gewiß. Es interessiert Sie vielleicht zu erfahren, daß der Herr mit dem Kneifer und den langen Haaren Professor Amblefoot von der Universität London war, die große Kapazität für Höhere Mathematik, und daß er Sie als blonden, wohlerzogenen jungen Mann geschildert hat.«
    »Dafür bin ich ihm sehr verbunden«, sagte Mr. Egg.
    »Der Ausländer war Dr. Schleicher aus Kew, seit drei Jahren dort wohnhaft – über den Matrosen und den Pfarrer wissen wir alles – der Betrunkene ist auch in Ordnung – wir haben mit seiner Frau gesprochen – sehr mitteilsam – der

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