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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Garagenbesitzer, »hatten Sie vielleicht einmal eine von diesen Uhrenattrappen, deren Zeiger man verstellen kann, um anzuzeigen, wann das Licht eingeschaltet werden muß?«
    »Ja, die hatte ich. Ich habe sie sogar jetzt noch. Sie hing immer über der Tür, aber ich habe sie letzten Sonntag abgenommen. Die Leute fanden das so ärgerlich, denn sie hielten sie immer für eine richtige Uhr.«
    »Und nach meinem Kalender«, sagte Monty leise, »mußte am 18. Juni das Licht um 22.20 Uhr eingeschaltet werden.«
    »Menschenskind!« rief der Inspektor und klatschte sich auf den Schenkel. »Also, das war wirklich raffiniert von Ihnen, Mr. Egg.«
    »Ein Geistesblitz, nur ein Geistesblitz«, räumte Monty bescheiden ein. »›Der Reisende, der Köpfchen hat, weiß sich in jeder Lage Rat‹ – so steht’s wenigstens im Handbuch. «

Einer zuviel
Eine Montague Egg-Geschichte
    Als Simon Grant, der Napoleon der Consolidated NitroPhosphates und weiß der Himmel wie vieler Tochterfirmen, eines regnerischen Novemberabends spurlos vom Antlitz der Erde verschwand, war es auf alle Fälle nur natürlich, daß seine Familie und Freunde sich Sorgen machten und es an der Börse ein paar leichte Turbulenzen gab. Als jedoch im Laufe der nächsten Tage schmerzlich offenkundig wurde, daß bei dem Konzern mit dem soliden Namen nur der Name solide war – ja, daß er in Wahrheit nicht einmal mehr konkursfähig war, sondern dieses Stadium längst überschritten und sich (wie man so sagt) in leere Luft aufgelöst hatte, indem nämlich alles Vermögen in seinem Besitz auf geheimnisvolle Weise gleichzeitig mit Simon Grant verschwunden war –, gab es einen Krach, der drei Kontinente erschütterte und – ganz nebenbei – Mr. Montague Egg für die Dauer einer Stunde aus seinem untadeligen Alltag riß.
    Nicht daß Mr. Egg auch nur einen Penny in Nitrophosphaten stecken oder eine noch so entfernte Verwandtschaft mit dem vermißten Finanzmann aufzuweisen gehabt hätte! Seine Verquickung mit dem Fall war rein zufälliger Natur, ein Nebenprodukt der alarmierenden Ankündigung bestimmter fiskalischer Maßnahmen durch den Finanzminister, die für die Wein- und Spirituosenbranche bestürzende Konsequenzen zu haben drohten. Mr. Egg, Reisevertreter des Hauses Plummet & Rose in Piccadilly, war auf seinen Rundreisen nach Birmingham gekommen, als seine Arbeitgeber ihn zu einer dringenden Sonderkonferenz über die einzuschlagende Unternehmensstrategie nach London zurückbeorderten, wodurch er – allerdings ohne es zu diesem Zeitpunkt zu ahnen – der Auszeichnung teilhaftig wurde, in ebendemselben Zug zu reisen, aus dem Simon Grant so plötzlich und unerklärlich verschwand.
    Die Fakten im Falle Simon Grant waren von beunruhigender Schlichtheit. Die London-Midland-ScotlandEisenbahngesellschaft setzte damals zwischen Birmingham und London einen Nachtexpreß ein, der Birmingham um 21.05 Uhr verließ, nur in Coventry und Rugby hielt und um 0.10 Uhr in Euston einlief. Mr. Grant war bei einem Dinner gewesen, das einige prominente Geschäftsleute ihm zu Ehren in Coventry gegeben hatten, und nach dem Essen hatte er die schamlose Unverfrorenheit besessen, eine Rede über die Prosperität der britischen Wirtschaft zu halten. Anschließend war er davongeeilt, um mit dem Birmingham-Express nach Rugby zu fahren, wo er eingeladen war, die Nacht bei Lord Buddlethorp, der Säule finanzieller Redlichkeit, zu verbringen. Zwei überaus wohlgeachtete Wirtschaftsmagnaten aus Coventry hatten ihn um 21.57 Uhr in ein Erster-Klasse-Abteil steigen sehen und bis zur Abfahrt des Zuges mit ihm geplaudert. In seinem Abteil hatte eine weitere Person gesessen – niemand geringerer als Sir Hicklebury Bowles, der bekannte Sportsmann und Baronet. Im Laufe der Unterhaltung hatte Grant gegenüber Sir Hicklebury (den er flüchtig kannte) erwähnt, daß er allein unterwegs sei, da seinen Sekretär eine Grippe aufs Krankenbett geworfen habe. Ungefähr auf halbem Wege zwischen Coventry und Rugby war Mr. Grant dann auf den Korridor hinausgegangen, wobei er etwas von Hitze gemurmelt hatte. Danach hatte man nie mehr etwas von ihm gesehen.
    Zuerst war der Vorfall dadurch in einem sehr bedrohlichen Licht erschienen, daß der Zug in Rugby mit einer offenstehenden Tür eingefahren war, und zwar auf demselben Gang, nur ein Stückchen weiter vorn, und als man wenig später ein paar Meilen zurück Mr. Grants Hut und Mantel an der Strecke fand, befürchtete alle Welt das Schlimmste. Indessen wurde trotz

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