Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
intensiver Suche weder Simon Grants Leiche noch sonst ein Beweis dafür gefunden, daß jemand aus dem Zug gefallen war. In einer der Manteltaschen fand man eine Fahrkarte erster Klasse von Coventry nach Rugby, ohne die er mit Sicherheit in Rugby nicht durch die Sperre gekommen wäre. Darüber hinaus hatte Lord Buddlethorp seinen Wagen mit Chauffeur und Diener nach Rugby an den Zug geschickt. Der Chauffeur hatte an der Sperre gestanden, während der Diener auf der Suche nach dem Finanzmann den Bahnsteig abschritt. Beide kannten Grant sehr gut vom Sehen, und beide versicherten glaubhaft, daß er auf keinen Fall aus dem Zug gestiegen war. Niemand war ohne Fahrkarte oder mit der falschen Fahrkarte an die Sperre gekommen, und eine Überprüfung der in Birmingham und Coventry ausgegebenen Fahrkarten nach Rugby ergab keine Unstimmigkeiten.
    Es blieben zwei Möglichkeiten, beide verlockend und einleuchtend. Der Birmingham-London-Expreß kam um 22.24 Uhr in Rugby an und fuhr um 22.28 Uhr weiter. Doch so schnell und imposant er war, er war nicht das einzige, nicht einmal das wichtigste Gestirn am Firmament dieses Bahnhofs, denn am selben Bahnsteig auf dem Gegenrichtungsgleis stand schnaubend und prustend der Irische Postzug, der hier drei Minuten Aufenthalt hatte, bevor er um Uhr mit Getöse seine Fahrt nach Norden fortsetzte. Wenn der Expreß pünktlich war, konnte Simon Grant heimlich den Zug gewechselt und um 2.25 Uhr in Holyhead den Dampfer erreicht haben, mit dem er um 6.35 Uhr in Dublin und ein paar Stunden später über alle Berge gewesen wäre. Daß Lord Buddlethorps Diener Stein und Bein schwor, ihn nicht gesehen zu haben – schon eine geringfügige Verkleidung, auf der Zugtoilette oder in einem leeren Abteil leicht vorzunehmen, hätte mehr als ausgereicht, ihn zu täuschen. Chefinspektor Peacock, der die Ermittlungen leitete, kam diese Möglichkeit sehr wahrscheinlich vor. Sie hatte auch den Vorteil, daß die Passagiere des Postschiffs leicht ausfindig zu machen und zu überprüfen waren.
    Die Frage nach den Fahrkarten gewann somit an Gewicht. Daß Simon Grant versucht, haben könnte, sie sich während des eiligen Einminutenaufenthalts noch vor dem Umsteigen in den Postzug zu beschaffen, war wenig wahrscheinlich. Entweder hatte er sie sich vorher besorgt, oder aber ein Komplize hatte ihn in Rugby erwartet und sie ihm übergeben. Chefinspektor Peacock war denn auch hocherfreut, als er feststellte, daß im Londoner Büro der LMSEisenbahngesellschaft tatsächlich eine Karte für die ZugSchiffsverbindung Rugby-Dublin gekauft worden war, und zwar auf den lächerlichen, unglaublichen Namen Solomon Grundy. Mr. Peacock wußte aus Erfahrung, daß Leute, wenn sie sich einen falschen Namen zulegten, oft besonders schlau sein wollten und an ihren Initialen festhielten. Der Grund dafür war zweifellos die Sorge, eben diese Initialen auf einer Uhr, einem Zigarettenetui etcetera könnten sonst Argwohn erregen, doch ist dieses Verhalten so allgemein bekannt, daß schon die Wahl der Initialen selbst dazu angetan ist, genau den Argwohn zu erregen, den sie eigentlich zerstreuen soll. Mr. Peacocks Hoffnungen schwangen sich erst recht in schwindelnde Höhen, als er dann auch noch erfuhr, daß Solomon Grundy (Herr im Himmel, was für ein Name!) sich die allergrößte Mühe gegeben hatte, dem Mann an der Fahrkartenausgabe eine erfundene, ja sogar nichtexistente Adresse anzugeben. Und gerade als seine Erwartungen den höchsten Punkt erreicht hatten, erhielt die ganze Theorie den Todesstoß. Nicht nur war Mr. Solomon Grundy weder in dieser noch in irgendeiner anderen Nacht mit dem Postschiff gefahren
    – nicht nur war seine Fahrkarte nie vorgelegt, ja nicht einmal zurückgegeben worden – nein, es erwies sich sogar als schlichtweg unmöglich, daß Mr. Simon Grant überhaupt in den Postzug umgestiegen sein könnte. Aus irgendeinem Grund, der etwas mit einem heißgelaufenen Achslager zu tun hatte, war der Birmingham-LondonExpreß nämlich in dieser Nacht, ausgerechnet in dieser Nacht, mit drei Minuten Verspätung in den Bahnhof Rugby eingefahren, zwei Minuten nach Abfahrt des Postzugs. Sollte dies also Simon Grants Fluchtplan gewesen sein, so war er zweifellos schiefgegangen.
    Und da dies so war, stand Chefinspektor Peacock nun wieder vor der alten Frage: Was war aus Simon Grant geworden?
    Der Chefinspektor besprach sich mit seinen Kollegen und kam schließlich zu dem Ergebnis, daß Grant wohl wirklich die Absicht gehabt haben mußte, den

Weitere Kostenlose Bücher