Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
Dann hätte ich gesagt: ›Nun hören Sie mal zu, guter Mann, ich weiß genau, daß ich Ihnen meine Fahrkarte gegeben habe. Sehen Sie, hier ist meine Rückfahrhälfte, Nummer soundso. Jetzt sehen Sie mal in Ihrem Packen nach, da werden Sie die andere Hälfte schon finden.‹ Er hätte nachgesehen, die andere Hälfte gefunden und gesagt: ›Ich bitte um Entschuldigung, Sir, Sie haben recht – hier ist sie.‹ Ich hätte gesagt: ›Schon gut‹, und wäre durchgegangen. Und wenn er mir auch nicht getraut hätte, er hätte nichts beweisen können, und inzwischen wäre der andere längst über alle Berge gewesen.«
»Verstehe«, sagte der Chefinspektor. »Und wie oft, sagten Sie, haben Sie dieses lustige Spielchen selbst schon getrieben?«
»Also, nie zweimal am selben Bahnhof. Es zahlt sich nicht aus, seine Tricks zu oft zu wiederholen.«
»Dann werde ich mir Schleicher und den Sekretär also noch einmal vornehmen müssen«, sagte Peacock nachdenklich. »Und den Fahrkartenkontrolleur. Wir sollten wahrscheinlich glauben, daß Grant mit dem Postzug nach Irland abgedampft sei. Ich muß zugeben, daß wir das auch geglaubt hätten, wenn nicht zufällig der Postzug schon fort gewesen wäre, als der Zug nach London in Rugby einfuhr. Aber da müßte einer schon sehr schlau sein, um uns durch die Maschen zu schlüpfen. Übrigens will ich hoffen, Mr. Egg, daß sie es sich nicht zur Gewohnheit –«
»Da wir gerade von schlechten Angewohnheiten reden«, sagte Monty fröhlich, »wie wär’s mit noch einem Whisky?«
Mord im College
Eine Montague Egg-Geschichte
»Hau ab, Fiathers«, sagte der junge Mann im Flanellanzug.
»Wir finden deine Neuigkeiten aufregend, aber deine religiösen Ansichten wollen wir nicht hören. Und rede um Himmels willen nicht immer von ›Studikern‹, wie so ein Handelsvertreter. So, und nun verschwinde!«
Der Angesprochene, ein pickliger junger Mann im Studententalar, quengelte noch ein wenig, verließ jedoch eingeschüchtert den Tisch.
»Eine unausstehliche Klette«, erklärte der junge Mann im Flanellanzug seinem Gefährten. »Wohnt auch noch auf meinem Flur. Gott sei Dank ziehe ich im nächsten Trimester um. Das mit dem Rektor stimmt doch wohl? Armer Teufel – tut mich richtig leid, daß ich seine Vorlesung geschwänzt habe. Noch einen Kaffee?«
»Danke, nein, Radeott. Ich muß gleich weg. Geht ja schon auf Mittag zu.«
Mr. Montague Egg, der am nächsten Tischchen saß, hatte die Ohren gespitzt. Jetzt drehte er sich mit einem leisen Räuspern nach dem jungen Mann namens Radeott um.
»Entschuldigen Sie, Sir«, begann er zaghaft, »es war nicht meine Absicht, das Gespräch der Herren zu belauschen, aber dürfte ich eine Frage stellen?« Ermutigt durch Radeotts Miene, die zwar überrascht, aber offen und freundlich war, fuhr er fort: »Ich bin nämlich zufällig Handelsvertreter – Egg ist mein Name, Montague Egg, Reisender für Plummet & Rose, Weine und Spirituosen, Piccadilly. Darf ich fragen, warum man nicht ›Studiker‹ sagen soll? Hat der Ausdruck etwas Kränkendes an sich?«
Mr. Radeott wurde rot bis in die Wurzeln seines flachsblonden Haars.
»Tut mir aufrichtig leid«, sagte er treuherzig und sah dabei mit einemmal sehr jung aus. »Furchtbar dumm von mir, so was zu sagen. Wieder voll ins Fettnäpfchen getreten.«
»Das macht doch wirklich nichts«, versicherte Monty.
»Hab’s auch gar nicht persönlich gemeint. Dieser Fiathers geht mir nur so auf die Nerven. Er sollte doch wissen, daß nur Städter und Journalisten, überhaupt nur Leute außerhalb der Universität, von ›Studikern‹ reden.«
»Sollte man also lieber ›Studenten‹ sagen?«
»Das wäre immerhin korrekt.«
»Ich bin Ihnen sehr verbunden«, sagte Monty. »Jederzeit bereit, etwas zu lernen. Man kann bei so etwas allzuleicht Fehler machen, und das nimmt natürlich den Kunden gegen einen ein. Das Handbuch des Reisenden bietet hier keinen Anhalt; ich werde mir also selbst etwas ausdenken müssen. Mal sehen. Wie wär’s hiermit? ›Zutiefst verachtet der Student –‹«
»Besser wäre ›Oxford-Student‹ – die andern kann man vergessen.«
»Aha. Also: ›Zutiefst verachtet der Oxford-Student, den Tölpel, der ihn Studiker nennt.‹ Leicht zu merken.«
»Sie sind ja ein richtig talentierter Dichter«, meinte Radeott belustigt.
»Danke, es geht«, antwortete Monty mit bescheidenem Stolz. »Würde dasselbe nicht aber auch für CambridgeStudenten gelten?«
»Zur Not«, antwortete Radeotts Begleiter. »Und
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