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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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kurzer Zeit geschrubbt worden, denn der Staub, der an anderen Stellen jahrhundertedick lag, bildete hier nur einen dünnen Film.
    Er kniete sich hin, um sich die Stelle näher anzusehen, und neue Gedanken und Überlegungen jagten ihm durchs Gehirn wie Fledermäuse. Wozu sollte sich einer die Mühe machen, den Fußboden einer Glockenstube zu putzen, wenn nicht, um verräterische Flecken zu beseitigen? Im Geiste sah er Cranton und Legros in die Glockenstube hinaufsteigen, das Kryptogramm zur Orientierung in den Händen. Er sah den grünen Schimmer der Juwelen, wie sie im Schein einer Laterne aus ihrem alten Versteck gezogen wurden. Dann ein plötzlicher Sprung, ein brutaler Schlag; Blut strömte auf den Boden, das Kryptogramm flatterte unbeachtet in eine Ecke. Und der Mörder, zitternd und ängstlich um sich blickend, während er die Smaragde aus den toten Fingern nahm, hob den Leichnam hoch und stieg schwankend damit die ächzenden Leitern hinunter. Nun den Spaten des Totengräbers aus der Krypta geholt, Eimer und Schrubber aus der Sakristei oder wo sie sonst aufbewahrt wurden, Wasser aus dem Brunnen – Er hielt inne. Der Brunnen? Der Brunnen erinnerte ihn an den Strick, und was hatte der nun damit zu tun? War er nur zum leichteren Abtransport der Leiche benutzt worden? Aber die Experten waren doch so sicher gewesen, daß der Leichnam vor seinem Tod gefesselt gewesen war. Außerdem – der Schlag und das Blut. Man konnte sich ja noch so schöne Schreckensbilder ausmalen, aber der Schlag war erst geführt worden, als der Mann schon viel zu lange tot gewesen war, um zu bluten. Und wenn dort keine Blutlache gewesen war, wozu den Fußboden schrubben?
    Er setzte sich in die Hocke und schaute noch einmal zu den Glocken empor. Wenn ihre Zungen reden könnten, würden sie ihm sagen können, was sich hier abgespielt hatte, aber sie hatten weder Sprache noch Stimme. Enttäuscht nahm er wieder die Taschenlampe und suchte weiter. Und plötzlich brach er in gellendes, bitteres Lachen aus. Das ganze Rätsel löste sich auf banale Weise. Da lag eine leere Bierflasche, in eine dunkle Ecke hinter einem Stoß wurmzerfressener Balken gerollt, der dort an der Wand aufgestapelt war. Ende der schönen Träume. Irgendein heimlicher Zecher auf heiligem Boden oder wahrscheinlich ein Arbeiter, der ganz legal etwas am Glockenstuhl repariert hatte – mußte sein Bier verschüttet und es säuberlich aufgewischt haben, während die Flasche davonrollte und ver gessen in der Ecke liegen blieb. Das war zweifellos alles. Nur ein Rest von Argwohn ließ Wimsey dennoch einen Finger in den Flaschenhals stecken und sie vorsichtig hochheben. Sehr verstaubt war sie nicht. Daraus schloß er, daß sie noch nicht sehr lange hier liegen konnte. Irgend jemandes Fingerabdrücke würden darauf zu finden sein vielleicht.
    Er suchte den übrigen Fußboden aufs sorgfältigste ab, fand aber nur ein paar halbverwischte Fußspuren im Staub. Sie konnten von Jack Godfrey oder Hezekiah Lavender stammen, oder von irgendwem sonst. Dann nahm er die Leiter und machte sich an eine eingehende Untersuchung der Glocken und des Glockenstuhls. Er fand nichts. Kein Geheimzeichen. Kein Versteck für den Schatz. Und nichts, was mit Elfen und schwarzen Elefanten, Zauberern und Erebus zusammenhängen konnte. Nach ein paar staubigen, ermüdenden Stunden stieg er wieder hinunter und nahm als einzige Jagdtrophäe die Bierflasche mit.

    Kurioserweise war es der Pfarrer, der das Kryptogramm enträtselte. Abends, als die Uhr in der Diele elf schlug, kam er ins Schulzimmer, in der einen Hand ein Glas heißen Grog, in der andern einen altmodischen Fußwärmer.
    »Ich will doch hoffen, daß Sie sich nicht zu Tode arbeiten«, sagte er entschuldigend. »Ich habe mir die Freiheit genommen, Ihnen etwas zum Aufwärmen von innen zu bringen. Diese Frühsommernächte sind doch recht kühl. Und meine Frau meint, Sie möchten hier vielleicht ihre Füße hineinstecken. Unter dieser Tür zieht's immer durch. Erlauben Sie – das Ding ist ein wenig mottenzerfressen, fürchte ich, aber seinen Zweck erfüllt es noch. So, und nun lassen Sie sich von mir nicht länger stören. Ach du meine Güte! Was ist denn das? Komponieren Sie einen Zyklus? Ach nein – das sind ja Buchstaben, keine Zahlen. Meine Augen sind nicht mehr, was sie mal waren. Aber ich schnüffle hier so naseweise in Ihren Sachen herum …«
    »Ganz und gar nicht, Herr Pfarrer. Sie haben recht, das sieht tatsächlich aus wie eine

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