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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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läuten.«
    Verwirrter denn je ging Wimsey zum Studierzimmerfenster zurück. Mr. Venables, einen Trägerlohn auf die Spitze seiner Feder gespießt, konnte sich zuerst nicht recht erinnern, meinte dann aber nach einer Weile, er glaube, Emily habe recht.
    »Ich muß die Schlüssel in der Woche davor in der Sakristei gelassen haben«, sagte er, »und wer dann nach der Chorprobe zuletzt die Kirche verlassen hat, muß den Schlüssel gefunden und benutzt haben – aber wer das gewesen sein kann, weiß ich nicht, es sei denn, es war Gotobed. Es muß eigentlich Gotobed gewesen sein, weil er sicher noch dageblieben ist, um die Öfen zu versorgen. Ist aber komisch, daß er den Schlüssel im Schloß gelassen haben soll. Ach du meine Güte! Sie denken doch nicht etwa, es könnte der Mörder gewesen sein?«
    »Doch, das denke ich«, sagte Wimsey.
    »Na so was!« rief der Pfarrer. »Aber wenn ich doch die Schlüssel in der Sakristei gelassen habe, wie ist er hineingekommen und hat sie gefunden? Ohne den Kirchenschlüssel hätte er nicht reingekonnt. Höchstens wenn er bei der Chorpro be dabei war. Es wird doch niemand vom Chor –«
    Der Pfarrer machte ein so verstörtes Gesicht, daß Wimsey sich beeilte, ihn zu trösten.
    »Die Tür wird während der Probe unverschlossen gewesen sein. Da könnte er sich eingeschlichen haben.«
    »Ach ja – natürlich! Wie dumm ich doch bin! So hat es sich zweifelsohne abgespielt. Sie haben mir einen schweren Stein vom Herzen genommen.«
    Aber damit hatte Wimsey noch immer nicht den Stein von seiner eigenen Seele fortgewälzt. Auf dem Weg zur Kirche überlegte er hin und her. Wenn die Schlüssel am Silvesterabend fortgekommen waren, konnte Cranton sie nicht mitgenommen haben. Cranton war erst am Neujahrstag hier angekommen. Will Thoday war unnötigerweise am 30. Dezember ins Pfarrhaus gekommen und hätte die Schlüssel mitnehmen können, aber er war mit Bestimmtheit nicht am 4. Januar in der Kirche gewesen, um sie zurückzubringen. Es blieb noch immer die Möglichkeit, daß Will Thoday die Schlüssel genommen und der geheimnisvolle James Thoday sie zurückgebracht hatte – aber was hatte in diesem Falle Cranton mit der Geschichte zu tun? Und Wimsey hatte das sichere Gefühl, daß Cranton etwas über den in der Glockenstube gefundenen Zettel wußte.
    Mit diesen Überlegungen trat Wimsey in die Kirche, schloß die Tür zum Glockenturm auf und stieg die Wendeltreppe hinauf. Als er durch die Läutestube kam, nahm er mit einem Lächeln zur Kenntnis, daß an der Wand eine neue Tafel mit der folgenden Aufschrift erschienen war: »Am Neujahrsmorgen 19– wurde hier ein Zyklus mit 15840 Wechseln Kent Treble Bob Major in 9 Stunden und 15 Minuten geläutet. Die Glöckner waren: Sopran – Ezra Wilderspin; 2 – Peter D. B. Wimsey; 3 – Walter Pratt; 4 – Henry Gotobed; 5 – Joseph Hinkins; 6 – Alfred Donnington; 7 – John P. Godfrey; Baß – Hezekiah La vender; Aushilfe – Theodore Venables, Pfarrer. Unsere Münder sollen verkünden Dein Lob.« Er stieg in die leere Uhrkammer hinauf, machte das Gegengewicht los und kletterte weiter bis unter die Glocken. Dort verhielt er eine Weile und blickte empor in ihre schwarzen Münder, bis seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Bald begann ihn die dumpfe Stille zu bedrücken. Ein leichtes Schwindelgefühl erfaßte ihn. Er hatte den Eindruck, daß sie langsam in sich zusammenfielen und ihn unter sich begraben wollten. Wie gebannt sprach er ihre Namen vor sich hin: Gaude, Sabaoth, John, Jericho, Jubilee, Dimity, Batty Thomas und Tailor Paul. Ein leise flüsterndes Echo schien sich von den Wänden zu lösen und langsam im Gebälk zu verebben. Plötzlich rief er mit lauter Stimme: »Tailor Paul!« – und er mußte dabei eine Frequenz aus der Obertonreihe erwischt haben, denn von oben antwortete ihm ein schwacher bronzener Ton, fern und drohend.
    »Jetzt hör aber auf!« Wimsey riß sich mit einem Ruck zusammen. »So geht das nicht. Du kannst nicht herkommen wie Potty Peake und mit den Glocken reden. Such die Leiter und mach dich an die Arbeit.«
    Er knipste seine Taschenlampe an und richtete sie in die dunklen Ecken der Glockenstube. Der Lichtstrahl zeigte ihm die Leiter, aber er zeigte ihm auch noch etwas anderes. An der düstersten und staubigsten Stelle des Fußbodens war ein Fleck, der nicht so staubig schien. Wimsey sprang, die Drohung der Glocken vergessend, neugierig hin. Ja, es war kein Irrtum. Hier war ein Teil des Fußbodens vor ziemlich

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