Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
beide Hände, und nachdem der Pfarrer ihm dabei eine Weile zugesehen hatte, schlich er auf Zehenspitzen hinaus und ging zu Bett.
Neunter Teil
Emily schneidet Bunter von hinten
Man lasse die Glocke, die der Sopran von hinten schneidet, auf Platz drei gehen und wieder umkehren.
REGELN FÜR DAS WECHSELLÄUTEN MIT VIER GLOCKEN
»Am liebsten«, keuchte Emily zwischen Schluchzern, »würde ich kündigen.«
»Mein Gott, Emily!« rief Mrs. Venables, die eben mit einem Eimer Hühnerfutter durch die Küche kam und stehenblieb. »Um alles in der Welt, was ist denn mir dir los?«
»Das sag ich Ihnen«, rief Emily, »an Ihnen und dem Herrn Pfarrer hab ich ja nichts auszusetzen, denn Sie sind immer nett, aber daß ich Mr. Bunter in dem Ton mit mir reden lassen muß, wo ich nicht mal sein Dienstmädchen bin und auch nicht sein möchte und es gar nicht zu meinen Pflichten gehört, und woher sollte ich das überhaupt wissen? Ich würde mir ja eher die rechte Hand abhacken als Seiner Lordschaft ungefällig sein, aber das hätte man mir sagen müssen, und meine Schuld ist es nicht, und das hab ich auch zu Mr. Bunter gesagt.«
Mrs. Venables wurde ein wenig blaß. Mit Lord Peter gab es ja keine Schwierigkeiten, aber Bunter fand sie unheimlich. Doch sie war von zähem Wesen und hatte von Kindesbeinen an gelernt, daß ein Dienstbote ein Dienstbote sei, und sich vor einem Dienstboten zu fürchten (dem eigenen oder einem fremden), sei der erste Schritt in den Avernus hausfraulichen Unvermögens. Also wandte sie sich an Bunter, der bleich und respektvoll im Hintergrund stand.
»Nun, Bunter?« fragte sie mit fester Stimme. »Was ist denn hier los?«
»Ich bitte sehr um Vergebung, Madam«, sagte Bunter beherrscht. »Ich fürchte, ich habe mich ein wenig vergessen. Aber nun stehe ich schon fünfzehn Jahre im Dienste Seiner Lordschaft (die Kriegszeit, in der ich unter ihm gedient habe, mitgerechnet), und so etwas ist mir noch nie widerfahren. In meiner übergroßen Bestürzung habe ich sehr erregt gesprochen, Madam, und bitte Sie, es mir nachzusehen. Ich hätte mich besser beherrschen sollen. Bitte seien Sie versichert, daß es nicht wieder vorkommen wird.«
Mrs. Venables stellte den Eimer Hühnerfutter ab.
»Aber worum geht es überhaupt?«
Emily schluckte, und Bunter wies mit dramatisch ausgestrecktem Finger auf eine Bierflasche, die auf dem Küchentisch stand.
»Diese Flasche, Madam, wurde mir gestern von Seiner Lordschaft anvertraut. Ich habe sie in meinem Zimmer in einen Schrank gestellt und beabsichtigte sie heute morgen zu photographieren, bevor ich sie zu Scotland Yard schickte. Gestern abend hat nun, wie es scheint, diese junge Dame in meiner Abwesenheit mein Zimmer betreten, den Schrank geöffnet und die Flasche daraus entfernt. Und nicht genug damit, sie zu entfernen, sie hat auch noch den Staub davon abgewischt.«
»Wenn's recht ist, Madam«, sagte Emily, »wie hätte ich wissen sollen, daß einer das Ding brauchte? So was Häßliches, Altes! Ich hab nur in dem Zimmer abgestaubt, Madam, und da seh ich die alte Flasche auf dem Schrankregal und sag zu mir: ›Guck sich mal einer diese staubige alte Flasche an, wie kommt die nur dahin? Muß aus Versehen da stehengeblieben sein.‹ Also nehm ich sie runter, und wie die Köchin sie sieht, sagt sie: ›Menschenskind, was hast du denn da, Emily? Die kommt mir gerade recht‹, sagt sie, ›um den Spiritus reinzutun.‹ Und da hab ich den Staub davon runtergewischt –«
»Und alle Fingerabdrücke sind futsch«, beschloß Bunter den Satz mit hohler Stimme, »und ich weiß noch nicht, wie ich es Seiner Lordschaft beibringen soll.«
»Ach du meine Güte!« stöhnte Mrs. Venables hilflos. Dann wandte sie sich erlöst der einen Frage zu, die vom hausfraulichen Standpunkt der Klärung bedurfte: »Wie kommt es, daß du so spät erst abgestaubt hast?«
»Bitte, Madam, ich weiß auch nicht, wie das gekommen ist. Irgendwie ist mir gestern die Zeit davongelaufen, und ich hab mir dann gesagt: ›Besser spät als nie‹, und das kann ich Ihnen sagen, wenn ich nur gewußt hätte –«
Sie heulte laut, und Bunter war gerührt.
»Es tut mir leid, daß ich mich mit solcher Schärfe ausgedrückt habe«, sagte er, »und ich war sicher mitschuldig, weil ich den Schlüssel nicht von der Schranktür abgezogen habe. Aber Sie werden meine Empfindungen verstehen, Madam, wenn ich mir vorstelle, wie Seine Lordschaft ahnungslos erwacht und nicht weiß, welchen Schlag der neue Morgen für ihn bereit
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