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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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haben mir 'ne ganz schöne Gänsehaut gemacht.«
    »Ich weiß«, sagte Wimsey. »Die sehen aus, als wollten sie sich jeden Augenblick auf einen stürzen.«
    »Jawohl, Sie wissen es!« pflichtete Nobby ihm eifrig bei.
    »Also, nun war ich da, wo ich hinwollte, aber ich wußte nicht, wo ich anfangen sollte. Von Glocken oder wie man an sie rankommt hatte ich keine Ahnung. Und ich konnte mir nicht denken, was mit Deacon los war. Also hab ich erst mal mit der Taschenlampe um mich geleuchtet und – Igittigitt – da war er!«
    »Tot?«
    »Mausetot. An so eine Art Pfosten gebunden, und einen Ausdruck im Gesicht – Menschenskind! So ein Gesicht möchte ich nicht noch einmal sehen. Ganz, als ob er in ein und demselben Moment verrückt geworden und gestorben wäre, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Es besteht doch wohl kein Zweifel, daß er tot war?«
    »Tot?« Mr. Cranton lachte. »Was Töteres hab ich noch nie gesehen.«
    »Schon starr?«
    »Nein, starr war er nicht. Aber kalt, mein Gott! Ich hab ihn nur mal angerührt. Da ist er in seinen Fesseln weggekippt, und der Kopf ist nach vorn gefallen – na ja, irgendwie sah mir das Ganze aus, als wenn er gekriegt hätte, was er verdient hatte, nur noch ein bißchen mehr. Denn das muß man ehrlicherweise zugeben, wenn sie einen aufhängen, das geht schnell und sauber, aber er sah so aus, als wenn's bei ihm eine ganze Weile gedauert hätte.«
    »Sie meinen, der Strick war um seinen Hals?« fragte Parker ein wenig ungeduldig.
    »Nein. Aufgehängt war er nicht. Ich weiß nicht, woran er gestorben ist. Ich wollte gerade mal nachsehen, da höre ich, wie einer in den Turm raufkommt. Da hat's mich nicht länger gehalten, verlassen Sie sich drauf. Es war noch eine Leiter da, und die bin ich rauf, so hoch es ging, bis ich an so eine Art Luke kam, die aufs Dach führte, nahm ich an. Ich hab mich in diese Luke gedrückt und gehofft, daß der Kerl es sich nicht einfallen läßt, mir nachzusteigen. Ich war nicht scharf darauf, da oben erwischt zu werden, denn die Leiche meines alten Kumpels Deacon hätte wohl einiger Erklärung bedurft. Natürlich hätte ich die Wahrheit sagen und darauf hinweisen können, daß der Kerl schon kalt war, als ich zu ihm raufkam, aber die Dietriche in meiner Tasche hätten dieses Alibi sozusagen ein bißchen erschüttert. Also hab ich still dagesessen. Der Kerl ist gleich an die Stelle gegangen, wo die Leiche war, und hat da irgendwas herumgefummelt, und ein paarmal hat er mit ächzender Stimme so was wie ›O Gott!‹ gesagt. Dann hat's einen häßlichen Plumps gegeben, und ich hab mir gedacht, er hat die Leiche jetzt auf den Boden runter. Dann nach einer Weile hab ich ihn ziehen und zerren gehört, und dann sind seine Schritte über den Boden gegangen, ganz langsam und schwerfällig, und ein dauerndes Poltern dabei, als wenn er den armen Deacon hinter sich herschleifte. Ich hab ihn natürlich von da oben nicht gesehen, denn von meiner Ecke aus konnte ich nur die Leiter und die gegenüberliegende Wand sehen, und er war ganz auf der andern Seite von dem Raum. Dann hab ich noch mehr Füßescharren gehört, und so ein Bumsen und Schleifen, und hab mir gedacht, daß er jetzt die Leiche die andere Leiter hinunterschafft. Und beneidet hab ich ihn um diese Arbeit auch nicht.
    Ich hab da oben gewartet und gewartet, bis ich nichts mehr von ihm hörte, und dann hab ich angefangen zu überlegen, was ich machen sollte. Zuerst hab ich mal die Tür zum Dach probiert. Sie war von innen verriegelt, und ich hab sie aufgemacht und bin rausgegangen. Es hat geschüttet und war pechfinster, aber ich bin nach draußen gekrochen bis an den Rand von dem Turm und hab nach unten gesehen. Wie hoch ist dieser vermaledeite Turm eigentlich? Vierzig Meter? Also, mir kam es vor wie vierhundert. Ich bin kein Fassadenkletterer und auch kein Bergsteiger. Und wie ich so nach unten schaue, sehe ich am andern Ende der Kirche ein Licht hin- und hergehen – so an die zwei Kilometer unter mir auf dem Friedhof. Ich sag Ihnen, mit beiden Händen hab ich mich an dieser Brüstung festgehalten, und ein Gefühl hatte ich im Magen, als wenn ich mitsamt dem Turm jeden Moment da runterkippen würde. Ich war froh, daß ich nicht noch mehr sehen konnte.
    Na ja, und dann hab ich mir gedacht, verzieh dich besser gleich, Nobby, solange da unten die Dreckarbeit besorgt wird. Also bin ich vorsichtig wieder runter, hab die Tür hinter mir verriegelt und bin die Leiter runtergestiegen. Das war nicht so einfach

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