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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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bei dieser Finsternis, und nach einer Weile hab ich die Taschenlampe angeknipst. Hätte ich das nur gelassen! Da war ich, und die Glocken genau unter mir – o mein Gott, dieser Anblick! Mir ist ganz kalt geworden, und der Schweiß ist mir ausgebrochen, und dann ist mir die Taschenlampe aus der Hand gerutscht und runtergefallen und hat eine von den Glokken getroffen. Den Ton, den sie da gemacht hat, vergesse ich nie. Er war nicht laut, aber irgendwie unheimlich süß und drohend, und gar nicht mehr aufgehört hat er, und dann sind noch eine ganze Menge andre Töne rausgekommen, hoch oben und klar und ganz nah – direkt an meinen Ohren. Sie werden denken, ich bin übergeschnappt, aber ich sag Ihnen, diese Glocke war lebendig. Ich hab die Augen zugemacht und mich an der Leiter festgehalten und mir einen andern Beruf gewünscht – und das allein zeigt Ihnen, wie mir zumute war.«
    »Sie haben eine zu rege Phantasie, Nobby«, sagte Parker.
    »Warte nur ab, Charles«, sagte Lord Peter. »Warte, bis du mal in einer Glockenstube im Dunkeln auf einer Leiter sitzt. Glocken sind falsch wie Katzen und Spiegel – unheimlich sind sie, und man denkt besser nicht zuviel an sie. Erzählen Sie wei ter, Cranton.«
    »Weiter? Ich konnte erst mal nicht weiter«, gestand Nobby ganz ehrlich. »Keinen Schritt. Es ist mir vorgekommen wie Stunden, und dabei waren es bestimmt nicht mehr als fünf Minuten. Endlich bin ich runtergekrochen – im Dunkeln natürlich, denn meine Taschenlampe hatte ich ja verloren. Unten hab ich danach gesucht und sie auch gefunden, aber natürlich war die Birne kaputt, und Streichhölzer hatte ich keine bei mir. Ich mußte also die Falltür mit den Fingern suchen und hab die ganze Zeit gezittert, daß ich kopfüber runterfalle. Aber dann hab ich sie schließlich doch gefunden, und ab dann ging's leichter, obwohl ich auf der Wendeltreppe noch ein paar häßliche Minuten hinter mich gebracht habe. Die Stufen sind so ausgetreten und die Wände so dicht beieinander – ich bin herumgerutscht und gestolpert und kriegte keine Luft. Der Mann hatte alle Türen offengelassen, daher wußte ich, daß er noch mal wiederkommen würde, und gefreut hat mich das auch nicht gerade. Sowie ich unten in der Kirche war, hab ich die Beine in die Hand genommen und bin zur Tür. Unterwegs bin ich noch über was gestolpert, was einen Heidenlärm gemacht hat. So was Ähnliches wie ein eiserner Kochtopf.«
    »Die Messingkanne am Fuß des Taufbeckens«, erklärte Wimsey.
    »Die sollte man da nicht hinstellen«, sagte Cranton böse.
    »Und wie ich zur Tür rauskam, mußte ich ganz schön leise schleichen, weil dieser widerliche Kies so geknirscht hat. Schließlich war ich dann draußen und bin gerannt – mein Gott, bin ich gerannt! Ich hatte nichts mehr bei den Wilderspins, nur ein Hemd, das sie mir geliehen hatten, und 'ne Zahnbürste, die ich mir im Dorf gekauft hatte, und deswegen wollte ich nicht noch mal zurück. Ich bin gelaufen und gelaufen, und von oben hat's geklatscht – und dann dieses ekelhafte Land! Gräben und Brücken überall. Einmal ist ein Wagen vorbeigekommen, und wie ich versucht habe, den Scheinwerfern auszuweichen, hab ich den Halt verloren und bin die Böschung runtergerollt in einen Graben voll Wasser. Ob das kalt war? Ein Eisbad! Schließlich hab ich eine Scheune in der Nähe eines Bahnhofs gefunden, und da hab ich bis zum Morgen gebibbert, bis ein Zug kam, und in den bin ich eingestiegen. Ich weiß nicht mehr, wie der Ort hieß, aber es müssen so ungefähr fünfzehn bis zwanzig Kilometer von Fenchurch gewesen sein. Bis ich nach London kam, hatte ich Fieber, kann ich Ihnen sagen; und dieses Gelenkrheuma. Was das aus mir gemacht hat, sehen Sie ja. Um ein Haar wäre ich draufgegangen, und ich wünschte, ich wär's. Ich werde nie mehr was unternehmen können. Aber das ist die Wahrheit und die ganze Wahrheit, Mylord und Anhang. Außer noch, daß ich die Geheimschrift nicht mehr finden konnte, als ich dazu kam, mal nachzusehen. Ich hab gedacht, ich muß sie auf der Straße verloren haben, aber wenn Sie sie in der Glokkenstube gefunden haben, muß sie mir aus der Tasche gefallen sein, als ich die Taschenlampe rausholte. Ich hab Deacon nicht umgebracht, aber ich wußte, daß es elend schwierig sein würde, meine Unschuld zu beweisen – darum habe ich Ihnen bei Ihrem ersten Besuch was anderes erzählt.«
    »Na schön«, sagte Chefinspektor Parker, »dann wird Ihnen das hoffentlich eine Lehre sein, sich künftig nicht

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