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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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los war – dann stieß er das Federbett zurück, setzte sich verschlafen und vorwurfsvoll auf und begegnete Bunters ruhig-gelassenem Blick.
    »Großer Gott! Ich war eingeschlafen! Warum haben Sie mich nicht geweckt? Jetzt haben sie ohne mich angefangen.«
    »Mrs. Venables hat angeordnet, Mylord, Sie frühestens um halb zwölf zu wecken, und der Herr Pfarrer läßt Ihnen ausrichten, Mylord, sie würden sich zum Einläuten des Gottesdienstes mit sechs Glocken begnügen.«
    »Wieviel Uhr haben wir jetzt?«
    »Gleich fünf Minuten vor elf, Mylord.«
    Noch während er sprach, verstummte das Geläute, und Jubilee begann mit ihrem Fünfminutenläuten.
    »Hol's der Kuckuck!« rief Wimsey. »So geht das doch nicht. Ich muß hin und den alten Knaben predigen hören. Meine Haarbürste! Schneit es noch?«
    »Immer stärker, Mylord.«
    Wimsey machte hastig Toilette und stürzte nach unten. Bunter folgte ihm gemessenen Schrittes. Sie traten zur Tür hinaus und gingen, Bunters Taschenlampe folgend, zwischen den Gebüschen hindurch zur Straße, überquerten diese und traten zugleich mit dem dröhnenden Schlußakkord der Orgel in die Kirche. Chor und Pfarrer waren schon an ihren Plätzen. Wimsey, der im gelben Licht der Kandelaber um sich blinzelte, entdeckte schließlich auf einer Stuhlreihe unterhalb des Turms seine Glöcknerkollegen. Während er möglichst unauffällig über den Kokosläufer in ihre Nähe strebte, ging Bunter, der sich alle notwendigen Informationen schon vorher besorgt zu haben schien, selbstsicher auf eine der Bänke im nördlichen Seitenschiff zu und nahm neben Emily aus dem Pfarrhaus Platz. Der alte Hezekiah Lavender begrüßte Wimsey mit einem erfreuten Glucksen und hielt ihm ein Gesangbuch unter die Nase, als er sich zum Gebet hinkniete.
    »Geliebte Brüder –«
    Wimsey stand eilfertig auf und sah sich um.
    Auf den ersten Blick fühlte er sich förmlich erschlagen von den edlen Maßen der Kirche, in deren geräumiger Weite sich die versammelte Gemeinde – obschon ganz beachtlich für so einen kleinen Ort und mitten in einer Winternacht – nahezu verlor. Das große Mittelschiff und die dämmrigen Seitenschiffe, die erhabene Höhe des Altarraums – abgetrennt, aber nicht verdeckt durch eine kunstvoll gearbeitete Chorschranke –, die intime Schönheit des Chorgestühls mit den zierlichen Säulen, elegant gerippten Gewölben und fünf schmalen Spitzbögen an der Ostseite, das alles nahm seine Aufmerksamkeit gefangen und lenkte sie weiter auf das indirekt beleuchtete Allerheiligste. Von dort wanderte sein Blick dann wieder zurück ins Mittelschiff mit seinen kräftigen, doch schlanken Säulen, die wie Springbrunnen aus dem Boden schossen und sich nach oben gleich Blütenblättern zu eleganten Gewölberippen entfalteten, die das Dachgebälk trugen. Und dort, unter dem spitz zulaufenden Dach, verharrte sein Blick in staunendem Entzücken. Da schwebten in unvorstellbarer Höhe, mit schimmerndem Haar und vergoldeten Flügeln, die sanft das dämmrige Licht widerspiegelten, Engel über Engel, Cherubim und Seraphim in himmlischen Chören, an allen Längs- und Querbalken, die erhobenen Gesichter einander zugewandt.
    »Mein Gott«, flüsterte Wimsey nicht ohne Ehrfurcht, und leise deklamierte er vor sich hin: »Er fuhr auf dem Cherub und flog daher; er schwebte auf den Fittichen des Windes.«
    Mr. Hezekiah Lavender verpaßte dem neuen Kollegen einen saftigen Rippenstoß, und Wimsey sah, daß die Gemeinde sich zum Sündenbekenntnis niedergelassen hatte und nur er allein noch stand und mit offenem Mund in die Gegend gaffte. Hastig blätterte er die Seiten seines Gesangbuchs um und richtete sich darauf ein, die richtigen Antworten zu geben. Mr. Lavender, offenbar überzeugt, es entweder mit einem Schwachsinnigen oder mit einem Heiden zu tun zu haben, unterstützte ihn, indem er für ihn die Psalmen heraussuchte und ihm jeden Vers laut ins Ohr brüllte.
    »… Lobet ihn mit Pauken und Reigen; lobet ihn mit Saiten und Pfeifen.«
    Die schrillen Stimmen des gewandeten Chors stiegen zum Dach empor und schienen ihr Echo zu finden in den goldenen Mündern der Engel.
    »Lobet ihn mit hellen Cymbeln, lobet ihn mit wohlklingenden Cymbeln!«
    »Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!«

    Es ging auf Mitternacht zu. Der Pfarrer trat an die Stufen des Chorraums und hielt mit seiner sanften, gelehrten Stimme eine schlichte und bewegende kleine Ansprache, in der von Gottes Lob die Rede war, doch nicht nur mit Saiten und Pfeifen, sondern

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