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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Füßen wie ein wind gezauster Baum.
    Die Gemeinde strömte zum Kirchenportal hinaus, ihre Laternen und Taschenlampen stoben im wirbelnden Schneetreiben auseinander wie Funken eines Freudenfeuers. Der Pfarrer zog Gewand und Stola aus, stieg im Rock hinauf zur Läutestube und setzte sich auf die Bank, bereit, mit Rat und Hilfe einzuspringen. Die Uhrschläge drangen schwach durch das mächtige Stimmengewirr der Glocken. Am Ende der ersten Stunde nahm der Pfarrer dem aufgeregten Wally das Seil aus der Hand und entließ ihn zu einer kleinen Ruhe- und Erfrischungspause. Ein leises Glucksen verriet, daß Mr. Donningtons »Übliches« dahin ging, wo es am meisten Gutes tat.
    Wimsey, der nach der dritten Stunde abgelöst wurde, entdeckte Mrs. Venables zwischen den Krügen sitzend, neben ihr Bunter in respektvoll aufmerksamer Haltung.
    »Ich will nicht hoffen«, sagte Mrs. Venables, »daß es Sie gar zu sehr anstrengt.«
    »Nicht im mindesten; nur ausgedörrt bin ich.« Diesem Übel wußte Wimsey allerdings schnell abzuhelfen, und dann erkundigte er sich, wie das Geläute sich anhöre.
    »Wunderschön!« antwortete Mrs. Venables tapfer. In Wahrheit machte sie sich nichts aus der Glockenmusik und war auch recht schläfrig, aber den Pfarrer hätte es sehr gekränkt, wenn sie ihm ihre teilnahmsvolle Gegenwart vorenthalten hätte.
    »Es ist doch wirklich erstaunlich«, fuhr sie fort, »wie sanft und leise hier alles klingt, nicht wahr? Aber zwischen uns und der Glockenstube ist natürlich noch ein ganzes Stockwerk.«
    Sie gähnte herzhaft. Die Glocken läuteten weiter. Wimsey, der den Pfarrer für die nächste Viertelstunde beschäftigt wußte, bekam plötzlich Lust, sich das Geläute einmal von draußen anzuhören. Er schlich die Wendeltreppe hinunter und tastete sich zum Südportal hinaus. Als er in die Nacht trat, traf das Lärmen der Glocken seine Ohren wie Schläge. Es schneite jetzt nicht mehr so stark. Wohl wissend, daß es Unglück bringt, gegen den Uhrzeigersinn um eine Kirche zu gehen, wandte er sich nach rechts und folgte dem Pfad dicht unterhalb der Mauer, bis er sich am Westportal wiederfand. Im Schutze des mächtigen Mauerwerks zündete er sich eine frevlerische Zigarette an, dann ging er, so gestärkt, wieder nach rechts. Am Fuße des Turms endete der Pfad, und er tappte durch Gras und Grabsteine weiter das ganze Seitenschiff entlang, das auf dieser Seite bis zum äußersten östlichen Ende der Kirche verlängert war. Auf halbem Wege zwischen den beiden letzten Stützen auf der Nordseite stieß er wieder auf einen Pfad, der zu einer kleinen Tür führte; diese probierte er, doch sie war verschlossen, und er ging weiter, und als er um die Ostseite bog, schlug ihm der Wind in voller Wut entgegen. Er blieb einen Augenblick stehen, um erst einmal nach Luft zu schnappen, und ließ den Blick über das Fenmoor schweifen. Alles war dunkel, bis auf ein schwaches, unbewegliches Licht, das irgendwo aus einem Katenfenster scheinen mochte. Die Kate mußte nach Wimseys Schätzung an der einsamen Straße stehen, über die sie das Pfarrhaus erreicht hatten, und er fragte sich, wieso dort einer um drei Uhr morgens in der Neujahrsnacht noch wach war. Aber die Nacht war eisig, und er wurde oben gebraucht. Er vollendete seine Runde, trat durchs Südportal wieder ein und stieg zur Läutestube hinauf. Der Pfarrer überließ ihm das Seil, nicht ohne ihn zu ermahnen, daß er jetzt gleich seine zwei Schläge in der hinteren Position machen müsse und den einen Rückwärtsschritt nicht vergessen dürfe, bevor er das Jagen nach vorn antrete.
    Um sechs waren die Glöckner alle noch ganz gut in Form. Wally Pratt fiel die Schmachtlocke in die Augen, und er schwitzte aus allen Poren, doch er arbeitete immer noch schön im Takt. Der Schmied war frisch und munter und sah aus, als ob er bis nächste Weihnachten weiterläuten wollte. Der Wirt war grimmig entschlossen. Am wenigsten schienen die Strapa zen noch dem greisen Hezekiah etwas anzuhaben; er bewegte sich auf und nieder, als ob er und das Seil eins wären, und rief die Durchgänge ohne das leiseste Zittern in seiner klaren, alten Stimme auf.
    Um Viertel vor acht ging der Pfarrer, um sich für den Früh
    gottesdienst fertig zu machen. In der Bierkanne herrschte bedenkliche Ebbe, und Wally Pratt wirkte ein wenig abgespannt, obwohl sie doch noch anderthalb Stunden vor sich hatten. Durchs Südfenster drang zart und blau ein hauchdünner Schimmer Morgenlicht herein.
    Um zehn nach neun kam der

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