Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
ist?»
«Ja, ich denke schon», sagte Peter. «Was ich allerdings nicht verstehe, ist Ihr nächster Schritt. Es muss Ihnen doch klar sein, dass Ihnen nach dem, was Sie bisher geschildert haben, keine Verurteilung wegen Mordes drohte. Es war Notwehr. Hatten Sie das nicht erkannt?»
«Irgendwie ja. Aber ich konnte es einfach nicht begreifen. Ich meine, wenn Alan wirklich aus allem rausgewollt hätte, einfach untertauchen, hätte ich vielleicht noch verstehen können, dass er mich angreift – oder nein, das ging mir im Grunde auch nicht in den Kopf. Aber welchen Anlass sollte ein völlig Fremder haben? Für wen hatte der mich gehalten? Ich saß verdammt tief in der Patsche.» «Sicher. Trotzdem würden Geschworene womöglich finden, dass ein ehrlicher Mann an Ihrer Stelle die Polizei gerufen und sich gestellt hätte. Nach der jetzigen Sachlage, Quarley, ist Ihr nächster Schritt die Ursache des ganzen Ärgers.»
«Die Batterien waren leer. Ich konnte nicht das kleinste bisschen mehr erkennen. Ich schlotterte wie Espenlaub und wollte nur noch weg. Tatsächlich wäre ich auch abgehauen, wenn mich an dem Abend niemand im Dorf gesehen hätte, aber ich hatte im Pub noch was getrunken, bevor ich mich zu dem Treffpunkt aufmachte. Es gab Zeugen dafür, dass ich in Paggleham gewesen war. Ich musste meine Spuren verwischen. Also habe ich mich im Wald versteckt, bis es hell wurde. Dann bin ich ein bisschen in der Gegend rumgelaufen. Es war wie ein Albtraum, ich dachte, es wäre alles gar nicht wahr und ich hätte nur geträumt. Aber als ich zum Schuppen zurückkam, sah ich natürlich, dass es Wirklichkeit war.» «Es gibt eine Telefonzelle in der High Street, von der aus Sie die Polizei hätten rufen können», bemerkte Harriet.
«Sie werden es nicht glauben», sagte Quarley traurig. «Warum sollte man mir auch glauben? Aber es ging mir gar nicht darum, meinen Hals zu retten. Mir ging es um den Auftrag. Ich wusste, dass Sie oder irgendjemand sonst mir eines Tages auf die Schliche kommen würden. Aber ich konnte den Gedanken nicht ertragen, die anderen im Stich zu lassen.» «Was haben Sie also gemacht?», fragte Peter. Er sprach in ruhigem Ton, ohne jede Drohung. Aber seinem Gesicht war anzusehen, dass er auf der Hut war. Harriet ertappte sich dabei, wie sie die Szene wie von außen betrachtete: drei Personen, sie als Zeugin, deren Einschätzung den Ausschlag in der Sache geben sollte, Peter, wie eine Katze zum Sprung geduckt, Quarley als die unglückselige Maus, die wie hypnotisiert darauf wartete, verschlungen zu werden … sie schüttelte die Vorstellung ab.
«Ich schnitt ihn los», sagte Quarley mit einem Schaudern. «Ich legte ihn mir über die Schulter und schleppte ihn ein Stück die Straße runter, da ließ ich ihn in einem Garten in ein Loch fallen. Im Morgengrauen war mir die Stelle aufgefallen. Ein Loch, fix und fertig ausgehoben, und schön daneben ein Haufen Erde. Es wartete nur auf ihn.»
«Jemand hätte Sie sehen können; als Sie mit der Leiche unterwegs waren», sagte Peter. «Haben Sie daran gedacht?»
«Klar hätte mich jemand sehen können; wenn Gott auf der Seite des Feindes stehen würde, hätte mich auch jemand gesehen. Das hätte mich außer Gefecht gesetzt.» «Wie meinen Sie das?»
«Aber die Nazis glauben ja nun mal nicht an Gott. Und er hat ihnen nicht geholfen. Keiner hat mich gesehen. Ich habe so viel Erde drübergeschaufelt, dass ihn zwei, drei Tage niemand findet, und bin ab durch die Mitte.»
«Zwei, drei Tage? Dann haben Sie damit gerechnet, dass alles herauskommt?»
«Sehen Sie, ich hatte eine Aufgabe zu erledigen. Sie mögen ja Recht damit haben, dass ich nicht hängen würde – dass es Notwehr war. Aber trotzdem wäre der Preis zu hoch gewesen. Man hätte mich nicht fliegen lassen.» «Ganz bestimmt nicht», bestätigte Peter.
«Ich stand kurz vor einem Einsatz. Das war überhaupt nur der Grund für den Urlaub gewesen. Monatelang hatten wir trainiert – und mittlerweile waren nur noch drei von uns übrig. Das absolute Minimum. Vor einiger Zeit hatten wir Alan verloren, und kurz vorher gerade Bob Fletchling. Er ist im Nebel gegen einen Hang gekracht. Wir waren also nur noch zu dritt, das sind wir heute auch. Und drei müssen es sein. Glauben Sie mir.»
«Wir glauben Ihnen», sagte Peter. «Fahren Sie fort.» «Ich habe mich also nicht darum geschert, was ein gesetzestreuer Bürger getan hätte. Auch um den Dreckskerl, den ich da erledigt hatte, habe ich mich nicht geschert –
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