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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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Zimmer auf. Ein erstes schwaches Morgenlicht fiel durch die halb zugezogenen Vorhänge herein. Das Feuer im Kamin war aus. Quarley saß ihr gegenüber, den Kopf in die Hände gestützt.
    «Mir ist etwas Schreckliches klar geworden. Etwas wirklich Schreckliches», sagte er zu ihr. «Kann ich es Ihnen erzählen – viel schlechter, als sie schon ist, kann Ihre Meinung von mir doch nicht mehr werden.» «Erzählen Sie mir alles, wenn Sie meinen, dass es hilft», sagte Harriet.
    «Ich hoffe, die machen mir den Prozess», sagte er leise. «Ich hoffe, die ziehen mich aus dem Verkehr und klagen mich des Mordes an und nehmen sich ordentlich Zeit dafür. Das macht mir alles nicht halb so viel Angst wie das Fliegen. Ich denke mir, na schön, vielleicht hängen sie dich, aber dann brauchst du wenigstens nie wieder das zu machen. Zumindest verbrennst du nicht bei lebendigem Leib.»
    «Ich kann nichts Schreckliches daran erkennen, dass man Angst hat, wenn man so unsagbar gefährliche Dinge tun muss», sagte Harriet. «Da hätte jeder Angst.»
    «Man darf es aber doch nicht zugeben. Verdammt noch mal, man muss ein Held sein. Wenn auch nur einer zusammenbricht, das demoralisiert alle anderen. Also zieht man weiter die Show ab. Am Boden vertreibt man sich die Zeit, kocht Tee, spielt Karten und tut so, als wär's nicht auszuhalten und man könnte es kaum erwarten, wieder oben am Himmel zu sein. Oben duckst du dich und schlängelst dich nach Kräften durch, während der Feind sein Möglichstes tut, um dich runterzuholen. Und deine Bodenmannschaft denkt, du bist ein toller Hecht, und in deinem Umkreis ist nicht einer, der Anzeichen von Angst zeigt. Immerhin scheinen manche durchgeknallt zu sein, richtig durchgeknallt. Wilde Jungs, die die Nieten an ihren Flügeln runterfeilen, um noch mehr Tempo rauszuholen, sie tun so, als wär's ein tolles Spiel, sie halten sich für unsterblich. Ob es bei denen auch nur Show ist, wirst du nie erfahren. Nein, aber das wirklich Schreckliche ist: Wenn sie mich verhaften und einsperren, ist die ganze Operation geplatzt, und mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich schäme mich dafür, aber so ist es.»
    «Das ist noch keine Schande», sagte Harriet. «Ein Feigling zu sein?»
    «Mut hat meines Erachtens nichts damit zu tun, wie es da drinnen aussieht», sagte Harriet. «Viel wichtiger ist, wie man handelt. Sie haben doch noch nie vor einem Einsatz gekniffen oder sind vor den anderen zusammengebrochen, nicht wahr?» «Nein.»
    «Ich glaube, Sie würden feststellen, dass eingesperrt auf seine Hinrichtung zu warten genauso viel Mut erfordert, wie einen Einsatz zu fliegen – nur dass Sie die Aufregung dabei nicht haben.»
    «Das stimmt vielleicht.» Er lächelte sie verlegen an. O Gott!, dachte Harriet. Er weiß nicht, wer ich bin. Er hat nicht die leiseste Ahnung. Wie denn auch – als ich vor Gericht stand, ist er noch zur Schule gegangen … «Ich habe wohl keine Wahl, oder?» «Ich glaube nicht», sagte sie.
    Ein schmutzig grauer Streifen zeigte sich jetzt zwischen den Vorhängen. Er warf einen Strich wirkungslosen grauen Lichts schräg auf den Boden. Mit einem Mal glühten die Lichtkorridore rosa auf. Tageslicht, Morgendämmerung. Harriet stand auf und zog die Vorhänge auseinander. Draußen war es schon recht hell, und erste Geschäftigkeit ließ sich beobachten. Ein Landarbeiter, eine Sense über der Schulter, ging die Straße entlang, und am anderen Ende der Straße stieg der Briefträger gerade auf sein Fahrrad. Quarley stellte sich neben sie. In ganz verändertem Ton sagte er: «Danke, dass Sie mir zugehört haben. Sie sind ein feiner Kerl. Entschuldigung, dass ich Sie mit diesem ganzen Unfug voll geschwallt habe.» «Gern geschehen. Nicht der Rede wert.»
    «Sie machen mir keinen Vorwurf draus? Seltsam ist es ja schon. Verstehen Sie, da gibt es den Polen in der Staffel, von dem ich Ihnen erzählt habe, zwei tschechische Piloten, zwei Kanadier, die nicht abwarten konnten, dass man sie offiziell herschickt, und sogar einen Yankee. Die haben sich alle freiwillig gemeldet, und ich …»
    «Ich habe schon alles vergessen», sagte sie, außergewöhnlich unaufrichtig. Aber was sollte sie schon zu jemandem sagen, der ihr das Herz ausgeschüttet hatte und dies nun ungeschehen machen wollte? Dann hörten sie Autos kommen. Drei Wagen fuhren vor dem Haus vor, Männer in dunklen Mänteln stiegen aus. Peter, Bungo, Sir Impey Biggs, ein hochrangiger R.A.F.-Offizier, Superintendent Kirk, Wing Commander Thompson:

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