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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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nicht mehr präsent, und sie musste nach unten gehen, um den Swinburne aus dem Regal zu ziehen. Sie warf einen Blick aus dem Fenster und er spähte Bungo, der mit der Times friedlich hinten im Garten saß und augenscheinlich mit dem Kreuzworträtsel beschäftigt war.
    Überrascht stellte Harriet fest, dass sie ihn jetzt unmöglich hassen konnte, so entflammt war sie durch die Erinnerung: ihr Reuter, reutend auf dem Stuhl … und er hatte nach Aholiba gerufen, nicht nach Kleopatra. Nun ja, die Kleopatra war auch weiß Gott nicht ihre Paraderolle, nicht einmal in Peters glutvollen hochzeitsnächtlichen Phantasien! Wieder im Schlafzimmer angelangt, versah sie Kleo patra mit Zahlen. Selbst in dieser Ausnahmesituation fiel ihr unwillkürlich die erbärmliche Qualität der Verse auf:

    Ich bin die Königin von Kusch,
Die offnen Auges küssen muss,
Lobpreisend Liebe manngesichts.
Mein Haar zur Lockenpracht gebrannt …

    Nein, im Ernst …! Es war schlicht und einfach unvorstellbar, dass Peter, in dessen Gedächtnis eine nahezu vollständige Sammlung der englischen Poesie Platz fand, darauf verfallen sein sollte, sein Los ausgerechnet hiervon abhängen zu lassen. Sie war ganz sicher auf der falschen Fährte.
    Schön, wo also war die richtige? Wie stand es mit «Auprès de ma Blonde»? Das hatte er, für einige Empörung sorgend, während der Flitterwochen gesungen, und Bunter musste ihn damals zum Schweigen bringen, denn schließlich gab es einen Leichnam, der aus dem Keller hinaufbefördert worden war und zur Kenntnis genommen und mit der gebührenden Achtung behandelt werden wollte.
    Ihr Blick fiel wieder auf die Geheimnachricht. Nur Harriet. Nur sie. Niemand sonst war in der Lage, den Code zu knacken, also kam logischerweise auch kein Swinburne oder jemand anders aus dem literarischen Kanon infrage. So abwegig irgendein unbekanntes Gedicht auch erscheinen mochte, Peter hätte sich nie hundertprozentig sicher sein können, dass nicht doch jemand hinter den Schlüsseltext kommen würde. Unter Umständen gab es Experten – ach, höchstwahrscheinlich waren ganze Teams darauf angesetzt, sich Tag und Nacht damit auseinander zu setzen und einen Text nach dem anderen auszuprobieren. Eine sehr langwierige Veranstaltung. Sollte sich Peter etwa darauf verlassen, dass sie einfach nur schneller auf etwas kam, was andere auch herausfinden würden, aber mit größerem Zeitaufwand? Dann hätte er aber wohl geschrieben «vielleicht Harriet», oder etwas in der Art. Nehmen wir ihn doch beim Wort, dachte sie bei sich. Er geht nicht schluderig mit der Sprache um, auch nicht, wenn weniger davon abhängt. Angenommen, der Schlüsseltext ist gar nicht veröffentlicht, angenommen, es ist wirklich etwas, was nur ich allein kenne … Wie war es mit der DonneHandschrift, ihrem Hochzeitsgeschenk für ihn, dessen Kauf sie so raffiniert eingefädelt hatte? Das war in keiner Publikation je erschienen … aber trotzdem, nein, «Donne, und dann» – das hieß, es hatte nichts mit Donne zu tun. Gut, also das auch nicht. Harriet hatte das Gefühl, völlig im Dunkeln zu tappen. Sie hatte solche Angst um Peter, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Wie viel Zeit hatte sie wohl schon auf die Hure Aholiba vergeudet? Die Schatten draußen auf dem Rasen wurden länger und länger, und Bungo hatte seinen Platz im Garten geräumt. Ob Sadie oder Mrs. Trapp ihm Tee angeboten hatte? Ob sie hinuntergehen sollte, um sich darum zu kümmern?
    «Verdammt noch mal!», schalt sie sich. «Er macht doch keinen Höflichkeitsbesuch! Konzentrier dich, Harriet.» Doch der Gedanke an Tee rief ihr ein anderes Bild in Erinnerung. Teetrinken in einem Puntkahn, einem Kahn, der unter einer Weide festgemacht war, darin ein Lord, der damals noch um sie gefreit hatte. Sie hatte ihm ein Dossier mit all ihren Aufzeichnungen zum Fall der anonymen Schmähbriefschreiberin am Shrewsbury College übergeben und versehentlich ein Blatt Papier mit einem unvollendeten Sonett darin gelassen. Als er ihr den Hefter zurückschickte, hatte ihr Achtzeiler Zuwachs von einem Sextett bekommen – und keinem schlechten. Sich mit einem Mal ihrer Sache ganz sicher, stand Harriet auf, um im Aktenschrank nach dem Gedicht zu suchen. Würden die Sachen hier sein? Die meisten Unterlagen aus London waren hergebracht worden, um sie vor einem möglichen Feuer während eines Luftangriffs zu bewahren. Aber das Wohnzimmer in Talboys war nicht der rechte Ort für Büromöbel, selbst wenn sie hübsch waren und

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