Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
nicht, Schwarzmarktfleisch zu kaufen? So könnten wir fragen, wer sich in der betreffenden Nacht bei uns herumgetrieben hat … Ah, ich habe richtig Appetit auf ein paar schöne Koteletts.»
«Peter, Liebster, denk nur an den Skandal, wenn man dir draufkommt! Berühmter Detektiv verstößt gegen Vorschriften! Gieriger Aristokrat nicht in der Lage, mit Rationen auszukommen wie alle anderen! Ich sehe schon die Schlagzeilen in riesigen Lettern …» «Zu viel der Ehre. Es kommt sicher weiter nach unten auf die Seite. Ganz unten rechts, unter Vermischtes.» «Ich weiß nicht, neulich hat eine Frau Schlagzeilen gemacht, drei Spalten breit ganz oben, weil sie hundertundvierzig Wochenrationen Zucker gekauft und ihre Beute in einem Rolls-Royce nach Hause gefahren hat.» «Wie viel hat sie gekriegt?»
«Zwölf Unzen die Woche – rechne es dir aus.» «Nein, nicht wie viel Zucker … welche Strafe hat sie bekommen?»
«Sie musste ein Bußgeld zahlen. Fünfundsiebzig Pfund. Und nun sag nicht, das kannst du dir leisten – mir geht es um die Schande.»
«Ich mache nur noch eine größere Schande und schicke Bunter.»
«Einmal angenommen, Bunter», sagte Lord Peter, «in einem unserer Nebengebäude wäre ein Schwein geschlachtet worden.»
«Eine gesetzwidrige Tötung, Mylord?»
«Bitte? O ja. Die Rechtslage tut momentan allerdings nichts zur Sache. Angenommen, wir dächten, es gebe hier irgendwo Schweinefleisch und wir könnten davon etwas abbekommen – wann sollten wir dann wohl danach fragen? Wie lange nach dem Vorfall?» «Nun, ich denke, man wird das Tier anderthalb bis zwei Tage hängen lassen, Mylord. Danach wird es vom Schlachter zerteilt. In einer kühlen Speisekammer hält sich das Fleisch vielleicht zwei bis maximal drei Tage. Ja, bei den gegenwärtigen Wetterverhältnissen würde ich sagen, drei Tage.»
«Verdammt! Das heißt, wir sind zu spät dran. Eine weitere Tragödie.» «Eine Tragödie, Peter?», rief Harriet aus.
«Irgendwo habe ich gehört: ‹Eine Tragödie ist eine gute Theorie, die an den Fakten scheitert›. In unserem Fall scheitert eine gute Titelgeschichte an den Fakten.» «Ach so.»
«Wenn ich bemerken dürfte», Bunter räusperte sich, «der Bauch und die Schinken des hypothetischen Schweins wären gegenwärtig vermutlich in Salzlake eingelegt, in der die Stücke etwa drei Wochen liegen müssen, ehe man mit dem Räuchern beginnen kann.» «Dann wäre es also für ein Warentermingeschäft mit der Schweinehälfte, das heißt den Schweinshaxen, noch nicht zu spät?»
«Nein, Mylord. Vorausgesetzt, Sie wissen, wen Sie zu fragen haben.»
« Sie werden fragen, und zwar Archie Lugg und Jake Datchett. Aber aus Sorge über unseren Abendbrottisch brauchen Sie sich keinen Haxen auszureißen, Bunter – Sie sollen nur herausfinden, was jeder der beiden jungen Männer am Abend des 30. April getan hat. Die zwei wiederum sollen glauben, Sie seien hinter etwas völlig anderem her, Frühstücksspeck zum Beispiel oder Vorderschinken. Schildern Sie, so glühend Sie wollen, die unersättliche Lust Ihrer Ar beitgeber, die über die bewilligte Fleischration hinausreicht.»
«Danke, Mylord. Falls Sie heute Nachmittag meine Dienste entbehren können, Mylord, würde ich mich gerne ein wenig in der Gegend umtun.»
«Sicher doch, Bunter. Gehen Sie», sagte Peter vergnügt, als würde er ihm eine Gunst gewähren.
«Regale schon wieder?», sagte Archie Lugg. «Man müsste ja meinen, Mr. Bunter, die hätten sich bei Ihnen schon längst die Augen verdorben, wenn sie bloß die Hälfte von den ganzen Büchern gelesen haben.»
«Es geht heute mehr um eine Frage der Fairness, Mr. Lugg», sagte Bunter. «Eine interessante Arbeit haben Sie da gerade, wenn ich das sagen darf.»
Archie Lugg war dabei, ein schmales, glatt gehobeltes Buchenbrett schräg zuzusagen. Zwei, drei Stücke lagen bereits zugeschnitten auf seiner Werkbank. «Was wird das? Ein Blumenkasten?»
«Nein. Eine Puppenbadewanne, besser bekomm ich sie nicht hin», sagte Archie kopfschüttelnd. «Ich krieg sie wasserdicht, aber nach Badewanne sieht's nicht sonderlich aus.»
«Nein, wirklich nicht», stimmte ihm Bunter zu. «Genauso gut hätten Sie sagen können, es sei ein Futtertrog für einen Spielzeugesel.»
«Tja, mein Bestes muss genügen. Mrs. Simcox hat ein kleines Mädchen bei sich wohnen, die weint sich die Augen aus wegen der Puppenwanne, die sie in London gelassen hat. Und die Eltern der kleinen Maus haben sie, wie's scheint, einfach bei den
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