Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
zu beobachten. Aber der Gedanke blieb.
Auf der kleinen Wiese vor ihrem Haus stand noch der alte Sandkasten, in dem Collin früher immer gespielt hatte. Da sie ihn nun nicht mehr brauchten, jammerte seine Mutter schon seit Wochen, sein Vater möge ihn doch endlich beseitigen. Nun schien der Tag letzten Endes gekommen.
„Den Sand habe ich schon heraus gemacht.“, erklärte sein Vater und deutete auf das leere Holzgestell. Dann reichte er ihm eine Zange. „Am besten fängst du damit an, die Nägel aus den Seitenwänden zu ziehen. Dann kannst du die Latten einzeln lösen und auf einen Stapel legen.“ Nachdem er das gesagt hatte, wandte er sich um. Er nahm die Kellerluke und verschwand in dem kleinen Raum unter ihrem Haus. Manchmal waren aus dem kleinen und dunklen Loch reißende Geräusche zu hören, wie von einer Säge.
Collin unterdrückte ein Seufzen und machte sich an die Arbeit. Allem Anschein nach würde es doch länger Zeit in Anspruch nehmen, als er sich gedacht hatte.
Innerlich fluchte er, dass er nun erst heute Abend erfahren würde, wie das Buch weiterging. Und dabei war es gerade so spannend gewesen. Der Held war nämlich eine Gletscherspalte hinab gefallen und hing nun hilflos zwischen Himmel und Erde. Und kein Mensch war da, um ihm zu helfen.
Während er mit grimmigem Gesicht und aller Kraftanstrengung einen rostigen Nagel nach dem anderen aus den vermoderten Holzlatten zog, dachte er an gestern. Um genau zu sein kannte er das Gefühl des Helden aus seinem Buch. Auch er war gestern hilflos zwischen Himmel und Erde gefangen gewesen und wusste nicht weiter. Aber zumindest war er nicht allein gewesen, da El schon wesentlich mehr Erfahrung mit den Windlern hatte als er. Und doch... sein erster Kampf war ein Desaster gewesen. Sie hatten die Seele verloren.
Er zog den Nagel mit einem heftigen Ruck heraus und das Brett kam ihm entgegen. Zu spät, um auszuweichen, schlug es auf seine Zehe. Mit einem Zischen durch die Zähne zog er seinen Fuß zurück.
Nach etwa einer halben Stunde hatte er alle Nägel entfernt. Früher war er ganz bestimmt sehr froh über seine große Sandkiste gewesen. Heute war er mürrisch darüber, dass es so viele lange Latten bedurft hatte, sie aufzubauen. Er mühte sich ab, die langen und schwankenden Holzbretter aufzulesen und über das kleine Loch neben dem Haus seinem Vater in den Keller zu reichen, damit dieser sie zersägte. Das ging auch eine ganze Zeitlang sehr gut. Doch dann verließen ihn nach einer Stunde langsam die Kräfte. Erst die Nägel, die fest und verkantet im Holz gesteckt hatten und jetzt auch noch die viel zu langen, abgenutzten und schweren Latten. Sie schwankten haltlos oben, wenn er unten anfasste. Und sie trudelten hin und her, wenn er sie oben anpacken wollte. Gerade hatte er eine der Latten zur Seite legen wollen, als sie ihm oben entglitt. Das Beet seiner Mutter erschien auf einmal viel zu nah. Das Brett sauste auf die zarten Blüten zu und er wusste nicht, wie er das Unglück abwenden sollte. Seine Mutter würde ihn an die Wand nageln. Da plötzlich erfasste ein heftiger Wind das obere Ende des Brettes. Collin drehte sich um sich selbst, als er von der Wucht der Windes erfasst wurde. Durch die Hebelwirkung des Brettes plötzlich getroffen, taumelte er und stolperte über seine eignen Füße. Doch er wurde aufgefangen. Warme Hände griffen nach seinem Arm und zogen ihn wieder nach oben, sodass er nicht stürzte.
„Danke Papa.“, keuchte er, ohne aufzusehen. Er stellte das Brett auf der Wiese ab. „Fast hätte ich Mutters Blumen erwischt.“ Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Das haben wir gesehen.“, meinte eine Stimme, die gar nicht nach seinem Vater klang.
Eine zweite Stimme meldete sich, die aber genauso ironisch klang wie die erste.
„Und dein Vater bin ich auch nicht.“
Collin sah auf und blickte in die Gesichter von Mark und Elijah, die ihn grinsend betrachteten. Mit den beiden hatte er heute aber überhaupt gar nicht gerechnet! Mark stieß El in die Rippen. „Obwohl, bei deinen Genen könntest du einen so missratenen Sohn hervorbringen.“
„Ich bin nicht missraten.“, hielt Collin aufbrausend dagegen.
El nickte wichtigtuerisch. „Und ich habe auch keine missratenen Gene, Herr Thun.“ Er strich sich das orangene Oberteil glatt. Collin fiel auf, dass El immer ein rotes oder orangenes Kleidungsstück tragen musste. Und wenn es nur ein rotes Tuch war, das er sich um das Handgelenk band. Bei Mark war das nicht der Fall.
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