Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
wiederkommen würden. Dass sie sich einen Spaß auf seine Kosten geleistet hatten. Das war auch der Grund, wieso er all das hatte geschehen lassen und nur ruhig zugesehen hatte. Doch nachdem der letzte Turnschuh von der Leiter verschwunden war, traf ihn die Erkenntnis, dass sie sich keinen Spaß erlaubten. Es war ihnen ernst. Sie waren weg! Wahrscheinlich krochen sie schon durch das Feld zum Auto. Und heute Abend würden sie auf die Versammlung gehen, um herauszufinden, wieso die Beißer mit Herrn Austen zusammen arbeiteten. Aber all das konnte ihm ganz egal sein. Er würde heute Abend noch nicht einmal mehr leben, um die Namen der Studenten zu verfluchen.
„Du wirkst leicht überrascht, mein Kleiner.“ Das Gesicht wandte sich ihm nun zu und blickte ihn freundlich an. Collin wusste, dass Tomaro nichts freundliches im Sinn hatte. „Hast wohl nicht gedacht, dass dein gutes Blatt sich so schnell wenden würde, was? Glaube mir, mir er ging es ganz ähnlich.“
Vielleicht kann ich mich befreien, während er redet ? schoss es Collin durch den Kopf. Er drehte seine Handgelenke leicht in den Fesseln, ließ aber dabei Tomaro nicht aus den Augen. Er wollte dem Nachtjäger das Gefühl vermitteln, dass er ihm zuhörte. Nur so konnte er ihn ablenken.
„Als ich damals die Vereinigung der Nachtjäger verließ, erging es mir wirklich ähnlich.“ Wehleidig blickte das Erdwesen zur Decke. „Weißt du, lange Zeit waren sie meine Familie. Ich bin mit ihnen herum gezogen, habe mit ihnen gejagt und gelebt. Es war eine gute Zeit. Sie gaben mir das Gefühl einer Familie. Doch ich muss sagen, dass ich nicht das Gefühl hatte, mich bei ihnen wohl zu fühlen.“ Er lachte leise. „Bitte entschuldige meine Ausdrucksweise. Ich bin ein wenig nervös. Schließlich ist es lange her, dass ich Frischfleisch zu mir nehme.“
Endlich bekam Collin eine Hand frei. Er riss sie hoch und zerrte an der Wurzel in seinem Mund. Tomaro bemerkte dies und einige Furchen zogen sich in die Erde, die seine Stirn bildete. Dann ließ er die Wurzel aus Collins Mund frei, sodass der Junge wieder reden konnte. „Normalerweise unterhalte ich mich nicht mit meinem Essen, aber wenn du meinst. Gibt es noch irgendetwas, was du sagen willst?“
Collin spuckte den faden Geschmack aus, den das Geflecht auf seiner Zunge hinterlassen hatte. „Dann sind wir schon zwei.“, erwiderte er trocken. „Ich finde, wir haben einiges gemeinsam.“
„Und das wäre?“ erwiderte Tomaro interessiert.
Der Schüler blinzelte. Eigentlich hatte er vorgehabt, mehr Zeit zu gewinnen, um sich einen Fluchtplan auszudenken. Doch das Erdwesen schaute ihn so herausfordernd an, dass er nicht umhin kam, wahrheitsgetreu zu antworten. „Naja, ich rede meistens auch nicht mit meinen Spaghetti.“, sagte er deshalb sachlich. „Und wir sind beide verraten worden.“
„Oh, ich bin nicht verraten worden.“ Der Zeigefinger war wieder erschienen.
„Ich habe die Vereinigung freiwillig verlassen, indem ich einfach nicht mehr zu den Versammlungen gehe. Weißt du, eigentlich beratschlagen sie sich darin, wo Jagdgebiete sind. Wo sie zuschlagen können, ohne dass den Menschen die hohe Opferzahl auffällt. Oder es werden Familien verabschiedet, die wegziehen wollen, weil ihnen die lokale Kost nicht mehr zusagt. Oder neue Familien werden eingeweiht, die aus anderen Ländern hierher gekommen sind.“
„Weißt du was?“, meinte Collin angewidert. „Ihr seid echt komisch. So wie du redest, könnte man meinen, Menschen seien nichts anderes als Beute. Diese Beißer sind einfach ekelhaft.“
Tomaro hob überrascht die Augenbrauen, die aus dürrem Geäst bestanden. „Oh, aber für die Beißer sind Menschen nun einmal nichts als Beute. Und wenn ich dich recht verstehe, glaubst du, die Versammlung der Nachtjäger besteht nur aus Beißern. Das stimmt nicht. Es gibt noch mehr Nachtjäger als die Beißer. Nimm mich.“
Nun konnte sich Collin nicht dagegen wehren, dass er neugierig war. „Und was bist du, wenn ich das fragen darf?“
Mit einem Mal schien das Erdwesen wirklich erfreut, dass jemand solch ein Interesse an ihm hegte. „Also, ich bin das, was die Menschen nicht verstehen, wenn ihre Pflanzen verdorren und ihre Böden aufbrechen. Ich bin ein Erdwesen, das unter der Erde lebt. Wenn ich mich öffne, fallen die Menschen hinein und werden zu meinen Opfern.“
„Und die Art und Weise zu jagen der anderen Nachtjäger ist dir zuwider?“, schlussfolgerte Collin aus der Art des Wesens. „Deshalb
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