Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
und er wünschte sich, sich einfach nur umdrehen zu können und diesem Hass nachzugeben. Nur für einen Moment, nur für einen kurzen Augenblick, gleich welche Konsequenzen es haben könnte.
Mark schloss die Augen und kämpfte das brennende Gefühl in seinen Eingeweiden nieder. Nein, das würde er nicht tun, denn dann wäre er nicht viel besser als sein Vater. Und das wollt er auf keinen Fall sein.
Stattdessen ließ er seine Hand sinken und blinzelte die Seele an. „Mit Hass schaffst du es nicht.“, sagte er ruhig. „Du bist zornig, weil dein Leben vorbei ist und unsere nicht. Aber mit Hass wirst du nichts Gutes tun können. Und ich bin mir sicher, dass du nicht böse bist.“ Langsam streckte er seine flache Hand aus, auf der die Büroklammer lag. „Ich biete dir einen Ausweg. Denn ich bin ebenfalls nicht böse, so wie du. Deshalb kannst du mir vertrauen. Ich will dir nicht wehtun, um dich zu besänftigen, darum werde ich nicht mehr angreifen. Komm.“
Die Seele war noch immer verwirrt, aber viel ruhiger. Das Grau wandelte sich langsam zu einem strahlenden Weiß und Mark erkannte Struktur in der Wolke. Es war eine Maus. Sie stieß einen Laut aus, trippelte auf Mark zu, der in die Hocke gegangen war und verharrte kurz vor ihm.
Lächelnd streckte er seine Hand aus und streichelte sie. Es war kein Fell dort, nur das helle Licht, das sich an seine Finger schmiegte. Die Maus piepste noch einmal, dann verschwand sie. Mark ballte die Hand um die Klammer und schob sie in seine Tasche. Erst dann wandte er sich um.
Benjamin saß auf dem Boden hinter ihm und kämpfte mit seinem Verstand. Er schüttelte ein ums andere Mal den Kopf und schien nicht begreifen zu können, was er soeben gesehen hatte. Mark lächelte.
Er kniete sich vor den Schläger. „Was du hier gesehen hast, wird dir niemals jemand glauben, also sei lieber still und behalte es für dich.“, sagte er herablassend. „Und was ich eben gesagt habe, ist wahr. Mit Hass komme ich nicht weiter. Ich hasse dich, aber das wird mich nicht böse machen. Das bist du einfach nicht wert. Geh und lass uns in Frieden, denn wir haben begonnen, zu leben. Du nicht. Du steckst fest. Und dafür hast du mein Mitleid.“
Ben starrte ihn fassungslos an. „Du hast die Wahrheit gesagt, nicht wahr? All die Jahre, als du behauptet hast, du könntest den Wind kontrollieren? Ich habe es eben mit eigenen Augen gesehen!“
Mark kaute an seiner Unterlippe. Dann schüttelte der den Kopf. „Du redest wirr. Du solltest weniger trinken. Geh nachhause und schlafe deinen Rausch aus. Die Flausen eines Kindes sind nicht ausschlaggebend.“ Zum ersten Mal schien es Mark, als hätte er verstanden, wieso die Elemente ihnen Untertan waren. Woher ihre Gabe kam und aus welchem Grund sie kämpften. Er erhob sich und lief zum Bäcker. Ja, er hatte es verstanden. Sie hatten die Kraft der Elemente um Menschen wie Benjamin beschützen zu können.
„Wenn du denkst, dass ich für dich koche, hast du dich aber gewaltig in den Finger geschnitten.“ Collin erhob sich von seinem Bett und lief zur Tür, an die soeben jemand laut geklopft hatte. „Geh und besorge dir etwas im Laden an der Ecke, ich fühle mich nicht sehr gut.“ Er riss die Klinke zu sich heran und erwartete, auf der anderen Seite der Tür einen grinsenden Grimbold zu sehen. Doch da war niemand. Seltsam.
„Ja, spinne ich denn jetzt?“, flüsterte Collin und warf einen Blick nach draußen in den Flur. Tatsächlich war dort niemand. Er war noch genauso allein wie zu dem Zeitpunkt, an dem Mark gegangen war. Wo steckte der Zwerg eigentlich? War er noch einmal in seine Höhle zurückgekehrt, um persönliche Sachen zu holen? Aber hatte er Collin davon nichts gesagt und dieser fand es zumindest anständig, wenn sein kurzzeitiger Mitbewohner ihm wenigstens mitteilte, wie lange er außer Haus weilte. Und welche Frage noch viel dringender war: wer hatte eben an seine Tür geklopft, wenn Grimbold nicht da war? Oder bildete er sich jetzt Geräusche ein? Collin zog sich seinen Hausanzug über. Nachdem Mark gegangen war hatte er sich fast sofort auf sein Bett fallen lassen und war eingeschlafen. Es war eine äußerst unangenehme Erfahrung gewesen, in einem großen kalten Eisblock gefangen zu sein und sich nicht bewegen zu können. Seine Erinnerungen an die wenigen Minuten in diesem hässlichen Zustand schweiften glücklicherweise in die Ferne. Alles, was nach seiner Ohnmacht geschehen war, verlor sich im hellen Nebel. Und das war auch gut so.
Weitere Kostenlose Bücher