Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
schaute unter dem offenkundig hastig übergestreiften Gewand hervor, und das Haar fiel ihr wirr auf die Schultern. Ihre Augen waren angstvoll aufgerissen.
    » Es ist Johnny, Mylady. Er hat Fieber. «
    Der Kleine glühte förmlich. Deirdre legte ihm kühle Wickel an und flößte ihm Weidenrindentee ein, was Johnny apathisch über sich ergehen ließ. Er lag schlaff da, ohne seine Umgebung richtig wahrzunehmen. Das sonst so lebhafte Kind, das in seinem Bewegungsdrang nur selten zu bändigen war, konnte kaum die Augen öffnen. Deirdre saß neben ihm und scheuchte die Mücken weg. Den Moskitoschleier hatten sie zurückgeschlagen, damit sie ihn besser beobachten konnten. Im Licht des Kandelabers glühte sein Gesicht hochrot, und die schmale Brust hob sich unter rasselnden, flachen Atemzügen.
    Elizabeth ging wie aufgezogen in der Kammer auf und ab. Sie verging fast vor Sorge. In diesen tropischen Breiten kam es nicht selten vor, dass Menschen von plötzlichem Fieber befallen wurden, und besonders schwer traf es Kinder. Johnny war schon gelegentlich krank gewesen, er hatte auch hin und wieder Fieber gehabt, doch er hatte sich stets rasch davon erholt, und es war nie so hoch gewesen wie in dieser Nacht. Felicity saß weinend neben dem Bettchen und betete unter erstickten Schluchzern für eine gnädige und schnelle Genesung, bis Elizabeth ihr befahl, auf ihre Kammer zu gehen.
    » Davon, dass du hier herumheulst, wird es ihm nicht besser gehen, und wir kommen dadurch auch nicht schneller von der Insel fort. «
    » Glaubst du etwa, ich weine, weil wir hierbleiben müssen? « Felicity schluchzte erneut auf und tupfte sich die Tränen ab, wobei sie es fertigbrachte, zugleich gekränkt und zutiefst verängstigt auszusehen. » Ich liebe Johnny mehr als mein Leben! Ich würde mit Freuden selbst am Fieber sterben, wenn es ihm nur besser ginge! «
    » Hör auf damit. « Dieser barsche Befehl kam von Duncan, der vor der offenen Tür stand. » Rede in Johnnys Anwesenheit nicht vom Tod. «
    Elizabeth hielt in ihrem Auf-und-ab-Laufen inne und blickte ihn flehend an.
    » Wir können ihn nicht aufs Schiff bringen, Duncan. «
    » Das werden wir auch nicht. Nicht solange er krank ist. Ich habe die Männer schon zurück auf die Elise geschickt. Wir bleiben hier. «
    » Aber du musst fort! Sie holen dich sonst! «
    » Ja, du solltest unbedingt fahren! « , stimmte Felicity zu. » Denn sonst musst du ins Gefängnis, und wer weiß, was sie sonst noch alles mit dir anstellen! Denk an den armen Teufel, dem sie im Januar die Hand abgeschlagen haben, nur weil er ein Fässchen Rum gestohlen hat! « Rasch fügte sie hinzu: » Ich komme mit. Du kannst mich nach Holland bringen, damit du die Fahrt nicht ganz umsonst antreten musst. «
    Duncan betrachtete sie irritiert, dann wandte er sich wieder Elizabeth zu. » Ich lasse nach dem Arzt schicken. «
    » Bitte holt nicht den Medicus « , widersprach Deirdre. » Er würde Johnny nur zur Ader lassen und ihn damit noch kränker machen. « Sie wandte sich an Elizabeth. » Wir sollten Miranda holen. Sie versteht sich auf die Kräuterheilkunde. «
    Elizabeth stimmte sofort zu. Sie vertraute Miranda. Die Portugiesin hatte Johnny das erste Jahr seines Lebens als Amme betreut, außerdem war sie eine erfahrene Heilerin. Sie hatte Felicity auch während der Fehlgeburt zur Seite gestanden.
    » Ich reite selbst « , sagte Duncan. Seine Stimme klang tonlos, doch Elizabeth hörte die unterdrückten Gefühle heraus, Hilflosigkeit– und vor allem Angst. Sonst fürchtete er weder Tod noch Teufel, doch seinen Sohn dort so liegen zu sehen und dabei die Fassung zu bewahren, überstieg fast seine Kräfte. Elizabeth hatte ihn noch nie so erlebt. Als er gegangen war, nahm sie ihre Wanderung durch das Zimmer wieder auf, von einer Seite zur anderen, ohne innezuhalten. Felicity hatte aufgehört zu schluchzen, stattdessen murmelte sie Gebete vor sich hin, schicksalsschwere Worte, deren trostloser Klang etwas Bedrohliches hatte. Am liebsten hätte Elizabeth sich die Ohren zugehalten. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
    » Schweig! « , fuhr sie ihre Cousine an. Als sie Felicitys entsetztes Gesicht sah, bereute sie es sofort. Doch sie entschuldigte sich nicht. Felicity stand auf und ging mit unsicheren Schritten aus dem Zimmer, das tränenüberströmte Gesicht in ein Tuch gedrückt.
    Deirdre tränkte einen weiteren Leinenwickel mit kaltem Wasser und wand ihn dem Kind um die Beine. Jonathan wimmerte leise vor sich hin, und der

Weitere Kostenlose Bücher