Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
erbarmungswürdige Anblick, den er dabei bot, schnürte Elizabeth den Atem ab. Sie trat an das Bettchen und legte ihre Hand auf seine Stirn. Seine Haut war so heiß, als stünde sie in Flammen. Kein Mensch konnte so ein Fieber lange ertragen! Furcht krallte sich mit harten Klauen in ihre Eingeweide.
    Auch Deirdre hatte angefangen zu beten, sie rief die Muttergottes um Gnade an. Schließlich hob sie den Kopf und suchte Elizabeths Blick. Ihre Stimme wurde zu einem kaum hörbaren Flüstern, fast so, als wagte sie nicht, die Worte auszusprechen.
    » Er sollte die Sakramente bekommen. «
    » Nein « , sagte Elizabeth hart. » Er stirbt nicht. Nicht mein Sohn. « Das Kind in ihrem Leib gab ihr einen harten Tritt, als wollte es sie daran erinnern, dass nicht sie diejenige war, die über Leben und Tod bestimmte.
    » Gib ihm noch von dem Tee! « , befahl sie. » Er soll trinken. Die Medizin wird ihm helfen. « Sie wollte verzweifelt daran glauben, denn wenn sie es nicht tat, wer dann? Schritt um Schritt lief sie wieder durch die Kammer, vier hin und vier zurück, vom Fenster, dessen Laden zugezogen war, bis zum Bett, und dann denselben Weg erneut, immer hin und her. Die Kerze brannte herunter, und die Minuten verrannen– wie vorbeifliegende Raubvögel, die Stück für Stück das Leben ihres Kindes auffraßen.

4
    D ie Portugiesin lebte schon seit Menschengedenken auf Barbados. Ein paar Meilen östlich von Bridgetown bewohnte sie ein windschiefes Holzhaus. In dem Gehege dahinter hielt sie Ziegen und ein paar Schafe, und bis vor wenigen Jahren hatte sie sich bei den besser gestellten Pflanzersgattinnen als Amme verdingt. Duncan hämmerte an die Tür, bis Miranda ihm verschlafen öffnete, und als er ihr schilderte, wie es um Jonathan stand, stimmte sie sofort zu, mit nach Dunmore Hall zu kommen. Sie achtete nicht auf das mürrische Gebrabbel ihres kahlköpfigen alten Ehemannes, der vom Bett aus zusah, wie sie ihre feiste Gestalt in einen Umhang hüllte.
    Anschließend bestieg sie mit Duncans Hilfe mühselig den Wallach, den er am Zügel hinter sich hergeführt hatte. Duncan selbst ritt auf Pearl, die eigentlich schon längst auf der Elise hätte sein sollen. Ebenso wie Elizabeth und Johnny.
    Vergeblich versuchte er, gegen die Angst und die Verzweiflung anzukämpfen, die ihn seit Stunden lähmten.
    Auf dem Rückweg trieb er Pearl zu schärferem Tempo an. Die Fackel in seiner Hand sprühte Funken im Wind. Miranda, die neben ihm ritt, ächzte im Rhythmus des Hufschlags. Sie umklammerte die Zügel in wilder Entschlossenheit, aber es war nicht zu übersehen, dass sie diese Art der Fortbewegung verabscheute. Auch von Duncan hielt sie nicht sonderlich viel. Ab und zu warf sie ihm einen halb ablehnenden, halb furchtsamen Blick von der Seite zu, der deutlich machte, dass sein Ruf als gottloser Pirat ihm immer noch anhaftete. Jonathan hingegen liebte sie mit kompromissloser Hingabe. Sie hatte den Kleinen ein Jahr genährt und in ihren Armen gewiegt, und ohne Frage würde sie für seine Gesundung alles tun, was in ihrer Macht stand.
    Sofern das denn ausreichte.
    Sie war verschwitzt und außer Atem, als Duncan sie im Innenhof von Dunmore Hall vom Pferd zog und dabei unter ihrem Gewicht fast zusammenbrach. Ohne Umschweife scheuchte er sie ins Haus, wo sie keuchend die Treppe erklomm. Duncan folgte ihr auf dem Fuße und überholte sie auf dem Weg nach oben. Im Gang vor den Schlafkammern kam ihm Elizabeth entgegen. Ihr Gesicht war weiß und starr, und für einen Augenblick dachte Duncan, er sei zu spät gekommen. Er stürzte an ihr vorbei in die Kammer, wo sich sein stockender Atem löste– Deirdre versuchte, dem Kleinen von dem bitteren Sud einzuflößen, den Rose gekocht hatte. Noch war nichts verloren!
    Miranda wälzte ihren massigen Körper an ihm vorbei ins Zimmer. Klaglos machte er ihr Platz und sah zu, wie sie auch Deirdre vom Bett fortwinkte. Sie betastete den Kleinen von oben bis unten und gab dabei ein bedenklich klingendes Schnalzen von sich. Nach einer Weile drehte sie sich zu Duncan um.
    » Du hol Wasser « , sagte sie mit ihrem schweren Akzent. » Viele Kübel. Aus dem Brunnen. Schnell. «
    Duncan rannte zur Treppe, und unten befahl er Sid und Paddy, mit in den Patio zu kommen und dort am Brunnen Wasser zu schöpfen. Zu dritt holten sie mit Zugeimern Wasser ins Haus und gossen es in den bereitstehenden hölzernen Zuber. Zweimal hasteten sie mit vollen Eimern nach oben, dann erklärte Miranda, es sei genug. Sie hatte in einer

Weitere Kostenlose Bücher