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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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selbst ein Mann von Stand und Ehre. Er hätte eine richtige Pfarrgemeinde haben können anstelle dieser Hütte mitten im Dschungel, von der er sich einbildete, sie sei eine Kirche wie jede andere auch.
    Ihre Kraft hatte nicht ausgereicht, weiterhin mit ihm unter diesen armseligen Bedingungen zu kampieren. Gott mochte ihr beistehen, sie liebte ihn über alles, obwohl er ein geweihter Priester war. Wahrscheinlich würde sie dafür eines Tages in der Hölle enden. Doch ihr Verlangen nach einem sauberen Bett und regelmäßigem Essen war stärker gewesen als ihre Liebe. Einerseits verfluchte sie sich dafür, weil es ihr wehtat, ihn so elend zu sehen, andererseits war sie auch erleichtert, denn jeder Tag, den sie in seiner Nähe verbrachte und sich nach seinen Blicken und Berührungen verzehrte, brachte sie um ihr Seelenheil. Sie hatte ihr Gewissen beschwichtigt, indem sie ihm einige Bücher mitgebracht hatte, die sie Lady Elizabeth abgeschwatzt hatte, Abenteuerromane über tapfere Ritter und kühne Seefahrer, die aus Roberts Nachlass stammten– wenigstens etwas Gutes, das von dem Mistkerl noch auf Erden verblieben war. Über die unverhoffte Lektüre hatte Edmond sich unbändig gefreut, sein Gesicht hatte förmlich geleuchtet vor Begeisterung. Seither wünschte Deirdre sich nichts weiter, als ihn wieder so glücklich zu erleben.
    Sie spielte bedrückt mit dem kleinen Spiegel herum.
    » Heute bin ich hier, um Abschied von dir zu nehmen « , platzte sie schließlich heraus. » Ich will mit Lady Elizabeth fortgehen. «
    » Du willst… Oh. « Er schluckte heftig und schwieg. Sein Gesicht war starr vor Schreck und Kummer, und Deirdre verfluchte sich. Warum musste sie derartig mit der Tür ins Haus fallen und ihnen beiden so den letzten gemeinsamen Nachmittag verderben? Doch ihre Entscheidung war gefallen, so hart es sie auch angekommen war, und irgendwie musste er es erfahren. Bis zuletzt hatte sie die feste Absicht gehabt, hierzubleiben, bei Edmond, egal wie viel Verzicht das bedeutete. Aber dann war ihr immer klarer geworden, dass sie sich damit vollständig selbst aufgeben würde, und schließlich hatte die Vernunft gesiegt. Sie wollte weg von der Insel, und wenn das hieß, dass sie auch Edmond verlassen musste, dann sollte es eben so sein. Es zerriss ihr das Herz, aber ihr Entschluss stand unverrückbar fest.
    Sie hätte es ihm bloß schonender beibringen müssen, auch wenn sie nicht wusste, wie. Außerdem war noch keineswegs ausgemacht, dass sie wirklich in der kommenden Nacht von Barbados wegkamen. Lady Elizabeth hatte es heute zwar nochmals bekräftigt und bei Gott geschworen, dass sie es schaffen würden, und wenn sie dafür persönlich zum Gefängnis marschieren und die Wachen totschießen müsste. Sie spielte ein waghalsiges Spiel und riskierte viel, um Master Duncan vor dem Strick zu bewahren. Deirdre kannte keine Einzelheiten des Plans und wollte sie auch gar nicht erfahren, denn je mehr sie gewusst hätte, umso mehr Sorgen hätte sie sich gemacht. Sie hatte nur ihre Hilfe angeboten, so wie sie es stets tat, wenn sie spürte, dass es nötig war. Doch Lady Elizabeth hatte nur gemeint, sie solle ihre Sachen packen und sich bei Einbruch der Dunkelheit bereithalten. Und das würde sie tun, so wahr ihr Gott helfe. Ruckartig wandte sie sich von Edmond ab und hob den Leinensack auf, den sie mitgebracht hatte. Das Essen für ihr gemeinsames Abschiedsmahl. Ohne Edmond anzusehen, holte sie nacheinander Brot, Käse und Eier heraus, richtete alles auf einem Tuch an und öffnete den Weinkrug, den sie ebenfalls eingepackt hatte.
    » Trink. Das wird dir guttun. « Sie reichte ihm den Krug, und er trank mechanisch. Er nahm auch von dem Essen, das sie ihm hinhielt. Sie pellte eines der Eier, und er biss davon ab und kaute, die Lider halb gesenkt, der Blick wie betäubt.
    » Um Himmels willen, Edmond! « Sie ertrug es nicht länger. » Ich kann nicht… Ich halte es nicht aus, dich ganz allein hier zurückzulassen! Du würdest verhungern! Wenn dich nicht vorher die Suchkommandos finden. «
    » Mit Gottes Hilfe werde ich es überstehen. «
    » Gar nichts wirst du! « Deirdre merkte, wie ihr die Tränen kamen. » Wobei soll Gott dir denn helfen? Hier im Dschungel zu hocken und zu beten, für dich ganz allein? War das dein Plan? Ein Einsiedler zu werden, der ständig Angst davor haben muss, ergriffen und aufgehängt zu werden? Weißt du denn nicht, dass sie jeden Tag ein Stück Wald mehr unter den Pflug nehmen? Die Zuckerfelder

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