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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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war er dabei so leise ans Werk gegangen, dass es unmöglich zu hören war. Vor Schreck ließ Doyle die immer noch offene Tabaksdose fallen und bestäubte mit dem Inhalt seine makellos sauberen, frisch geplätteten Kniehosen. Wütend fegte er die Krümel mit der Hand weg, während Eugene sich artig verneigte und sich nach seinem Befinden erkundigte. Das vergaß er nie, der Bengel. Doyle hätte ihm gern die nun leere Schnupftabaksdose an den Kopf geworfen, doch derlei kindische Anwandlungen verkniff er sich besser. Ohne seinen Adjutanten war er– man konnte es leider nicht anders sagen– mit all diesem Papierkram rettungslos überfordert. Allein schon das Lesen der ganzen Ratsbeschlüsse und Verfügungen ermüdete ihn, und hätte Eugene ihm nicht immer alles mit zusammenfassenden Worten erläutert und zum Abzeichnen vorgelegt, wäre ihm gewiss keine freie Minute mehr geblieben.
    » Mir ging es schon besser « , murrte Doyle. » Die Hinrichtung dieses Freibeuters liegt mir im Magen. Ich habe darüber nachgedacht, die Vollziehung für ein paar Wochen auszusetzen. Wenn der Kerl erst eine Weile bei karger Kost hinter Gittern gesessen hat, wird er sich schon besinnen und um Gnade betteln. Die wir ihm dann großzügig gewähren können. Denn wir wollten ja in erster Linie das Gold. «
    » Gewiss « , stimmte Eugene zu. » Aber es wäre ein Zeichen kläglicher Inkonsequenz, den Mann davonkommen zu lassen. Ihr habt mit dem Ausspruch des Urteils Eure Stärke und Eure Durchsetzungskraft herausgestellt, ein besseres Zeichen Eurer Willenskraft und Eurer Unnachgiebigkeit hättet Ihr gar nicht setzen können. «
    » Meint Ihr wirklich? « Die Schmeichelei stimmte Doyle milder, war aber nicht dazu angetan, seine Zweifel zu dämpfen. » Soll das heißen, Ihr plädiert für eine planmäßige Durchführung der Hinrichtung? « , vergewisserte er sich.
    » Unbedingt. Es gibt keinen Grund, das Urteil auszusetzen. «
    » Abgesehen von dem Gold, das uns damit durch die Lappen geht. « Doyle betrachtete Eugene mit verengten Augen. » Ich hörte, Ihr habt bereits das Schiff dieses Freibeuters danach durchsuchen lassen. «
    Eugene errötete leicht. » Nur um sicherzugehen, dass sich seine Matrosen nicht damit davonmachen können. «
    Doyle lehnte sich zurück und bemerkte dabei weiteren Tabakstaub auf seiner Hose, den er verärgert fortwischte, bevor er Eugene tadelnd anblickte.
    » Versucht nicht, hinter meinem Rücken eigene Pläne zu schmieden « , sagte er kühl.
    » Das täte ich nie « , sagte Eugene eifrig. » Im Gegenteil, ich wollte Euch gerade einen neuen Plan vorschlagen, mit dem wir uns trotzdem in den Besitz des Goldes bringen können. «
    » Wen meint Ihr mit wir? «
    » Damit meine ich natürlich Euch allein « , beteuerte Eugene eilfertig. » Als Sachwalter des Parlaments und Träger des höchsten Amtes auf dieser Insel. Als einzig berechtigten Vertreter und Gesamtbevollmächtigten des Commonwealth auf Barbados. Ich bin nur ein unbedeutender Adjutant und damit zufrieden, Euch die bestmöglichen Vorteile zu verschaffen, um Eure Macht zu festigen. «
    » Das Gold gehört Lady Elizabeth, es ist ihr alleiniges Vermögen. Wenn Duncan Haynes gevierteilt unter der Erde liegt, haben wir kein Druckmittel mehr, dass sie es herausrückt. «
    » Wir können für ein neues Druckmittel sorgen. «
    » Eine Anklage? Sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen. «
    » Nun, das ist noch die Frage. Wie wäre es beispielsweise mit dem Vorwurf der Hexerei? « Eugene hatte lauernd die Lider gesenkt. Er wirkte wie einer dieser trägen, unbeweglichen Echsen, die es sich gern in der Wärme bequem machten, aber bei der kleinsten Störung verschwanden.
    » Hexerei? Ihr scherzt wohl. «
    » Ich könnte Zeugen dafür bringen, dass die Frau schwarze Magie praktiziert. «
    » Sicher könnt Ihr das « , spottete Doyle, doch in seinem Inneren flackerte ein gieriges Flämmchen auf. Elizabeth Haynes hatte das Zeug zu einer Hexe, ohne Frage. Sie ritt mit offen herabwallendem Haar im Herrensattel und scherte sich auch sonst nicht im Geringsten um Konventionen. Sie war eine wilde, unberechenbare Person und sicherlich zu teuflischen Taten imstande. Sie war… nein, es war zu absurd. Auf derlei Blödsinn würde er sich nicht einlassen.
    » Sie ist guter Hoffnung « , sagte er ablehnend.
    » Zweifellos mit dem Kind des Satans « , versetzte Eugene, als hätte er den Einwand vorausgesehen.
    » Schluss damit. « Doyle kam wieder zur Vernunft, bevor er sich noch tiefer

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