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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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einem Lehnstuhl, in dem Elizabeth saß und auf sie wartete, das Gesicht ernst und blass. Claire winkte ab, als ihr Gast sich mühsam hochstemmen wollte.
    » Nicht doch. Bleibt sitzen. « Sie läutete nach ihrer Zofe. » Ich lasse Euch eine Erfrischung bringen. «
    » Das ist nicht nötig « , meinte Elizabeth, doch ihr Gesichtsausdruck sagte etwas anderes. Sie wirkte zutiefst erschöpft. Unter ihren Augen lagen dunkle Ringe, als hätte sie seit Tagen nicht richtig geschlafen– was vermutlich den Tatsachen entsprach, denn ihr Mann sollte in nur zwei Tagen seinem Schöpfer überantwortet werden. Bisher hatte Claire jeden Gedanken daran erfolgreich verdrängt. Sie hatte nichts mehr mit Duncan Haynes zu schaffen. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sie alles für ihn getan, auf welche Weise auch immer. Doch das, was sie einst mit ihm verbunden hatte, gehörte der Vergangenheit an. Im Übrigen hatte er ihr weit mehr bedeutet als sie ihm. Sie hatte wirklich geglaubt, mit ihm ein neues Leben anfangen zu können, doch für ihn war sie nur eine Episode gewesen. Jede beliebige andere Frau fürs Bett hätte es auch getan. Er hatte nur jemanden gebraucht, um sich abzureagieren. Und um sich davon abzulenken, dass die Frau, die er in Wahrheit liebte, mit einem anderen verheiratet gewesen war. Dafür war Claire gerade gut genug gewesen– aber auch nur dafür.
    » Was führt Euch zu mir? « , wollte sie von Elizabeth wissen, obwohl sie es sich denken konnte.
    » Ich brauche Eure Hilfe. Wie Ihr sicher schon gehört habt, soll Duncan übermorgen hingerichtet werden. « Ihre Stimme und ihr Gesicht blieben unbewegt bei diesen Worten. Sie hatte sich bewundernswert gut unter Kontrolle.
    » Das weiß jeder hier auf der Insel. Viele denken, es geschehe ihm recht. Er ist ein Freibeuter und Pirat, ein Schurke reinsten Wassers. «
    » Denkt Ihr das auch? «
    » Ich wüsste nicht, warum es wichtig sein sollte, was ich denke. « Claire merkte, dass sich ihr französischer Akzent stärker bemerkbar machte als sonst, ein Zeichen ihrer inneren Anspannung. In den letzten Jahren hatte sie ihn fast völlig abgelegt, außer im Bett, da griff sie absichtlich darauf zurück– die Männer, denen sie ihren Körper zur Verfügung stellte, mochten es.
    » Ihr habt uns schon einmal geholfen, das könnt Ihr nicht vergessen haben. Ihr habt uns vor Harold beschützt. «
    Claire verzog das Gesicht. Sie erinnerte sich nicht gern daran, dass ein Monstrum wie Harold Dunmore zu ihren Kunden gehört hatte, obwohl sie sich in der Auswahl ihrer Liebhaber kein empfindsames Gemüt leistete. Je reicher ein Mann war, desto eher konnte sie über charakterliche Mängel hinwegsehen. Harold Dunmore war sehr reich gewesen, aber noch nie hatte sie jemanden von so abscheulichem Wesen gekannt. Als sich offenbart hatte, wozu er imstande war, hatte sie Elizabeth und ihrem kleinen Sohn Obdach gewährt. Natürlich hatte sie es hauptsächlich Duncan zuliebe getan, denn sie hatte zu jener Zeit immer noch Gefühle für ihn gehabt. Doch mittlerweile hatte sie sich ihn aus dem Herzen gerissen. Sie war keine Frau, die Männern hinterherweinte, schon gar nicht solchen, die ihr Glück bei einer anderen suchten.
    » Er soll nicht einfach nur gehängt werden « , sagte Elizabeth. » Er wurde des Hochverrats für schuldig befunden. Sie werden ihn vom Galgen nehmen, ehe er stirbt. Man wird ihm bei lebendigem Leib den Bauch aufschlitzen und die Gedärme herausreißen, bevor er zwischen die Pferde gespannt wird, die das Vierteilen besorgen sollen. Eugene Winston ist so voller Rachsucht, dass er ganz sicher darauf achtet, dass die Strafe in allen Einzelheiten vollstreckt wird. Wollt Ihr etwa zusehen, wie Duncan auf diese Weise endet? « Sie war doch nicht so gefasst, wie sie tat, Claire merkte es an ihren krampfhaft verschränkten Händen.
    Die Zofe brachte Limonade, was Claire Gelegenheit gab, sich eine passende Antwort zurechtzulegen. Sie reichte Elizabeth einen der beiden Becher und nippte selbst an dem anderen.
    » Ich gebe nicht viel auf Hinrichtungen und werde daher ganz sicher nicht zusehen. «
    » Ihr wisst genau, dass ich es anders meinte. «
    » Alors, was wollt Ihr denn hören? Dass ich etwas unternehme, um es zu verhindern? «
    » Genau das « , sagte Elizabeth ruhig. Abwägend blickte sie Claire an. » Ihr habt ihn einmal sehr geliebt. «
    » Das ist lange her. Was immer ich für ihn fühlte, es ist vorbei. Er ist mir völlig gleichgültig. Alle paar Wochen werden Leute gehängt,

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