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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Kommando, weil er nach Elizabeth sehen wollte. Er war noch auf dem Niedergang, als er ihren Schrei hörte. Mit Riesensätzen sprang er die letzten Stufen hinab und stolperte mehrfach in seiner Eile, zur Kajüte zu gelangen. Elizabeth lag stöhnend im Alkovenbett, entkleidet bis aufs Hemd. Im blakenden Licht der Öllampe war ihr Gesicht verzerrt vor Schmerzen, die Augen dunkel umschattet. Ihr Haar hing in feuchten Strähnen herab, und sie hatte sich die Unterlippe blutig gebissen. Am schlimmsten aber war der Ausdruck ihrer Augen. Es war der eines gequälten, gefangenen Tiers, trüb umflort und kaum von Bewusstsein erhellt.
    Deirdre kauerte neben ihr, doch sie tat nichts weiter, als ihre Hand zu halten. Als Duncan hereingestürzt kam, richtete sie sich auf.
    » Kommt das Kind? « , entfuhr es ihm. Seine Stimme war rau vor Angst. Als sie wortlos nickte, herrschte er sie an: » Hast du Erfahrung in solchen Dingen? «
    » Ich hab oft zugesehen. Dreimal bei meiner eigenen Mutter. Sehr viele Male bei anderen. Zwei hab ich selbst auf die Welt geholt. Aber ich bin keine Hebamme. «
    Er kniete sich neben das Bett und umfasste Elizabeths Gesicht. Ihre Augen waren halb geschlossen, sie schien ihn gar nicht wahrzunehmen.
    » Was ist los mit ihr? « , fragte er Deirdre.
    » Sie ist nicht richtig bei sich. «
    » Was soll das heißen? «
    » Ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll. « Sie zuckte die Achseln. » Wehen sind die schrecklichsten Schmerzen. Man kann es einem Mann schlecht erklären, aber stellt Euch vor, man würde Euch bei lebendigem Leib in der Mitte durchschneiden. So ähnlich fühlt es sich an, jedenfalls hat das meine Mutter gesagt. Wenn die Schmerzen zu heftig werden, kann der Körper sie noch ertragen, der Geist aber nicht mehr. Männer würden bei solchen Schmerzen ohnmächtig werden. Die Natur hat es jedoch so vorgesehen, dass eine Frau unter der Geburt nicht das Bewusstsein verliert. Sie muss es bis zum Ende aushalten. Ihr ganzer Körper besteht nur noch aus Schmerz. Doch ihr Geist… « – Deirdre machte mit der Hand eine flatternde Bewegung– » …verlässt sie für eine Weile. «
    » War sie auch so, als sie Jonathan bekommen hat? «
    Deirdre schüttelte den Kopf und senkte die Augen, während sie sich an der Wand abstützte, um die schlingernden Bewegungen des Schiffes auszugleichen. Sie winkte ihn zur Seite, und er kam zögernd mit.
    » Das Kind liegt falsch « , flüsterte sie.
    » Was heißt falsch? « Duncan kämpfte vergeblich gegen die Panik an, die ihn zu überwältigen drohte. Er merkte, dass seine Stimme viel zu schroff klang, und unternahm einen hilflosen Versuch einzulenken. » Erklär es mir. Erklär mir alles! «
    » Es müsste mit dem Kopf nach unten liegen, aber es liegt quer. Ich kann es tasten. Deshalb geht es mit der Geburt nicht richtig voran. Sie hat die schlimmsten Schmerzen, aber es passiert nichts weiter, weil das Kind nicht herauskann. Damals, bei Johnny, ging es ganz schnell, als die Wehen so stark wurden, wie sie jetzt sind. Sie musste pressen, und der Kleine kam. « Deirdres schmales, sommersprossiges Gesicht war blass, ihr Blick zutiefst kummervoll.
    Duncan war erstarrt, ihm war eiskalt geworden.
    » Willst du damit sagen… Nein, das meinst du nicht, oder? «
    Sie nickte stumm und mit gesenktem Blick.
    Duncan wollte seine Furcht und seinen Zorn hinausschreien, er ballte die Fäuste und holte Luft, um sich zu beherrschen.
    Vom Bett her kam ein lang gezogenes Stöhnen, das sich binnen Augenblicken zu einem klagenden Schrei steigerte. Duncan war sofort bei ihr und hielt sie, spürte voller Hilflosigkeit die Anspannung ihres Körpers, sah entsetzt die Venen an ihrem Hals, die wie Stricke hervortraten, und hörte die grauenvollen Schreie. Starr saß er bei ihr, bis es nachließ und sie wieder erschöpft und benommen zusammensank. Als er hörte, wie Deirdre leise murmelnd ein Ave-Maria betete, hielt es ihn nicht länger in dem Alkoven. Er sprang auf und lief in der Kajüte hin und her. Es musste doch etwas geben, das man tun konnte! Dann blieb er abrupt stehen. Oleg! Er würde den Kirgisen fragen. Der verstand sich nicht nur aufs Kämpfen, sondern war auch in der Heilkunst bewandert und hatte schon manche üble Wunde verarztet. Duncan hatte ihn Blutvergiftungen und Gelbfieber und rote Ruhr heilen sehen. Wenn jemand helfen konnte, dann der Kirgise! Er musste helfen, egal wie!
    Duncan stöberte ihn unter Deck auf, wo der große Seemann, wie die meisten anderen aus der

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