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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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werdenden Wellengang schlingerte das Schiff heftig. Duncan hielt Elizabeth fest, sonst wäre sie vom Tisch gerollt. Oleg trat zu Deirdre und legte ihr die Hand auf die Schulter. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn an. Sein Blick senkte sich in ihren, und mit einem Mal schien sich etwas von seiner Entschlossenheit auf sie zu übertragen. Sie holte zitternd Luft, dann ergriff sie die zur Schlinge geknüpfte Kordel. Oleg fasste nach ihrer Hand und zeigte ihr, wie sie anzulegen war, bevor er Jerry weitere Zeichen gab. Jerry stierte ihn an, dann erklärte er, was zu tun war.
    » Master Duncan, Ihr müsst Mylady festhalten. Gemeinsam mit mir. Ich nehme ein Bein, Ihr nehmt eins. Sie muss ruhig liegen. Oleg hält die Schultern und Arme. « Er wandte sich an Deirdre. » Und Ihr müsst sofort nach dem Ende einer Wehe mit der Schlinge hineinfassen und fertig sein, bevor die nächste kommt. «
    Duncan zögerte nicht, der ihm geltenden Anweisung nachzukommen. Gemeinsam mit dem rothaarigen jungen Schotten umklammerte er Elizabeths Beine, während sie sich wand und aufschrie, gepeinigt von der nächsten Wehe, die mit kurzem Abstand nach der vorherigen einsetzte. Oleg hielt Elizabeths Oberkörper und hinderte sie daran, sich zu winden, während Deirdre vor den weit geöffneten Schenkeln der Kreißenden stand und auf Olegs Befehl wartete. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über die prall gespannte Bauchdecke, spürte den Umrissen des Kindes nach und versuchte die Stelle zu lokalisieren, zu der sie sich gleich vortasten musste. Gleichzeitig suchte sie sich mit beiden Füßen einen festen Stand, um das Stampfen des Schiffes auszugleichen. Dann verebbte die Wehe, und Oleg gab das Zeichen. Als Deirdre tief Luft holte und tat, was vorher besprochen worden war, schloss Duncan die Augen. Er, der schon Schädel gespaltet und Gliedmaßen abgehackt hatte, konnte den Anblick dessen, was dort vor seinen Augen mit Elizabeth geschah, nicht ertragen. Er hielt ihr Bein umklammert und hörte ihr Wimmern, doch er war außerstande hinzusehen. Als er die Augen wieder öffnete, hatte Deirdre ihre Hand wieder zwischen Elizabeths Beinen hervorgezogen. Duncan sah das Ende der Kordel, blutbeschmiert wie Deirdres Finger. Auf dem Tisch hatte sich eine Lache ausgebreitet, es tropfte über den Rand.
    » Das Fruchtwasser « , stammelte Deirdre. » Es ist abgegangen. Aber ich habe die Schlinge um einen Fuß gelegt. «
    Wieder folgte eine Wehe, die abgewartet werden musste, dann handelte Oleg sofort. Mit beiden Händen griff er zu. Seine Linke zog an der Kordel, behutsam, doch zugleich nachdrücklich, und mit der Rechten schob und drängte er das Kind mit kräftigem Druck auf die Bauchdecke herum, bis es aufrecht lag. Danach ging alles sehr schnell. Schon bei der darauffolgenden Wehe trat ein Füßchen hervor, dann glitt der winzige Körper mit einem angelegten Beinchen heraus, das sich sofort strampelnd neben dem zuerst erschienenen ausstreckte. Ein Stück der pulsierenden Nabelschnur folgte.
    » Es ist ein Mädchen! « , rief Jerry. Dann fügte er fassungslos hinzu: » Es ist mit dem Kopf drinnen stecken geblieben! Wieso zieht Ihr es nicht ganz raus? «
    » Das darf man nicht « , sagte Deirdre. Es kommt von allein. Noch eine Wehe, und es ist da. «
    Duncan konnte nicht denken und nichts sagen, Benommenheit hatte ihn erfasst. Wie betäubt sah er zu, als bei der folgenden Wehe, die sich beinahe unmittelbar an die vorangegangene anschloss, das Kind vollständig aus Elizabeth herausgepresst wurde und nach wenigen Augenblicken den Mund zu einem dünnen, aber unverkennbar wütenden Schrei aufriss. Deirdre nahm es vom Tisch, wickelte es hastig in ein Tuch und gab es Oleg, in dessen großen Händen das Bündel beinahe verschwand. Deirdres Gesicht war ernst und konzentriert, während sie die Nabelschnur durchtrennte und dann vorsichtig daran zog. Von ihrer Unsicherheit war nichts mehr zu spüren, doch die Angst stand ihr immer noch ins Gesicht geschrieben.
    » Großer Gott « , stotterte Jerry, als unmittelbar darauf am anderen Ende der Nabelschnur ein großer, blutiger Gewebeklumpen zwischen Elizabeths Beinen herausglitt. » Was um alles in der Welt ist das? «
    » Die Nachgeburt « , sagte Deirdre. Sie drehte und wendete den Klumpen und besah ihn sich aufmerksam, dann tauschte sie einen Blick mit Oleg und nickte. Auf ihrem Gesicht stand ein Ausdruck ungläubiger Erleichterung. Sie beugte sich über Elizabeth, drückte fest mit beiden Händen auf ihren Leib und

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