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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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war in vollem Gange.
    » Lizzie? « Das war Annes Stimme. » Kann ich irgendwie helfen? «
    » Wir brauchen Licht « , sagte Deirdre. » Sofort. «
    Irgendwer stolperte durch die Kajüte in Richtung Tür. Ein feuchter Windstoß fuhr herein, als sie geöffnet wurde. Von draußen waren Duncans scharfe Kommandos zu hören.
    » Die Schaluppe nach achtern. Und dann rauf mit euch an Bord, aber schnell. Hoch mit der Fock, und brasst die Rahen! «
    Seine Stimme wurde von dem immer lauter heulenden Wind und dem Knattern der Segel übertönt. Edmond brachte eine Lampe in die Kajüte, und der trübe Lichtschein erhellte die bestürzten Mienen ringsum.
    » Was ist los? « , fragte Felicity mit hysterisch bebender Stimme. Der Kleine, der auf ihrem Schoß saß, hatte die Augen weit aufgerissen, seine Unterlippe zitterte.
    » Mommy? « , fragte er verängstigt.
    Elizabeth krümmte sich bereits unter der nächsten Wehe. Sie atmete flacher, bis der Schmerz verebbte. Reden konnte sie nicht.
    » Ihr geht jetzt besser mit dem Kleinen unter Deck « , sagte Deirdre zu Felicity. » Edmond, bring die Damen und den Jungen nach unten. Ich kümmere mich um alles. «
    » Aber das Kind kann doch noch nicht auf die Welt kommen, es ist viel zu früh « , rief Felicity voller Entsetzen. Sie brach in Tränen aus, als Anne sie unter beruhigendem Gemurmel von der Bank hochzog und ihr den Kleinen abnahm, der darauf ebenfalls anfing zu weinen. Elizabeth hätte sie alle gern beruhigt, besonders Johnny, der schreckliche Angst haben musste. Doch ihre Wahrnehmungsfähigkeit trübte sich bereits. Die Gedanken in ihrem Kopf wirbelten durcheinander und lösten sich auf. Nichts war mehr von Belang. Ihr Blickfeld verengte sich auf die schwankende Lampe, die Edmond anstelle der anderen, die Sid vorher gelöscht hatte, an die Decke hängte, bevor er mit Anne, Felicity und dem Kind die Kajüte verließ. Sie sah die hölzernen Bohlen des Fußbodens, als Deirdre sie in eine sitzende Haltung hochzog, um ihr die durchnässte Kleidung auszuziehen. Elizabeth ließ es über sich ergehen, als sei es nicht sie, sondern eine andere Frau, die sich dort auf dem Bett in Qualen krümmte. Aber dann war sie wieder sie selbst, gefangen in ihrem Körper, der von schneidenden Schmerzen zerrissen wurde. Es war, als würden Messer tief unten in ihren Rücken gestoßen. Sie warf den Kopf zurück und wimmerte, bis Deirdre ihr ein Stück Stoff zwischen die Zähne schob.
    » Beißt darauf, Mylady, es wird Euch helfen. «
    Elizabeth tat es, und dann schnappte sie nach Luft, als die Wehe wieder verebbte.
    » Es wird alles gut, Mylady « , sagte Deirdre beruhigend. » Bald kommt das Kind, dann habt Ihr es geschafft. «
    Doch sie sagte nicht die Wahrheit, das spürte Elizabeth. Sie merkte selbst, dass etwas anders war als bei der ersten Geburt, und in dem Moment, als sie das begriff, wurde ihr klar, dass sie vielleicht in dieser Nacht sterben würde. Doch das machte nichts. Duncan und Johnny waren gerettet. Das war das Wichtigste.
    Der Nachthimmel war von tief hängenden Sturmwolken bedeckt, es herrschte schwärzeste Dunkelheit. Duncan hatte die Deckslaternen eine nach der anderen wieder anzünden lassen, und in ihrem Licht hatte er den Schaden begutachtet, den die Kanonenkugel angerichtet hatte. Eine Drehbasse war mitsamt einem guten Stück von der Reling und einem Teil des Schanzkleides hinweggefetzt worden– ein vergleichsweise harmloser Treffer. Die Reparatur konnte bis zum nächsten Tag warten. In dieser Nacht galt es nur, ausreichende Entfernung zwischen Barbados und die Elise zu legen. Das Schiff fuhr nach dem Kompass und kreuzte vor dem Wind, der in heftigen Böen von Nordwest kam. Es war kein Hurrikan– die kamen erst im Sommer–, dennoch setzte der Sturm der Elise mächtig zu. Sie hob und senkte sich in den schweren Wellen. Das Meer türmte sich vor dem Bug zu bedrohlichen Bergen auf, Gischt sprühte hoch und verwandelte das Deck in eine einzige Rutschbahn. Duncan sah vom Achterdeck aus, wie Felicity, Anne und der Pfaffe die Kajüte verließen, um den Niedergang zum Kanonendeck hinabzusteigen, wo für die Passagiere ein Schlafquartier hergerichtet war. Anne, die Johnny in den Armen trug, geriet ins Straucheln, worauf Duncan eine Warnung hinunterbrüllte, dass sie sich gefälligst alle gut festhalten sollten, doch der Sturmwind riss ihm die Worte von den Lippen. Gleich darauf hatten sie die Luke erreicht, und Edmond half den Frauen hinunter. Duncan übertrug John Evers das

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