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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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zugleich umklammernd, um ihn aufrecht zu halten. Anne sah das Blut und stieß einen weiteren Schrei aus, doch ihr Entsetzen wich sofort heilsamem Tatendrang. Gemeinsam mit John schleppte sie Duncan zum Tisch, und beide legten sie ihn darauf. Duncan stöhnte, kam aber nicht richtig zu Bewusstsein.
    » Er hat viel Blut verloren « , sagte John. » Ich hab’s nur provisorisch bandagiert, Ihr müsstet ihm einen richtigen Verband anlegen. Die Ohnmacht kommt daher, dass ihm was auf den Kopf gefallen ist. Dreht ihn auf die Seite, kann sein, dass es ihm noch mal hochkommt, er hat vorhin schon gekotzt. « Er eilte zurück zur Tür. » Ich muss wieder hoch und zusehen, dass wir den verfluchten Holländern entkommen. Vielleicht ist die Fleute nur Teil einer Flotte. Dann sind die übrigen Schiffe aus dem Verband nicht weit und schießen uns in Fetzen, sobald sie uns sichten. Schafft Ihr es allein, Master Haynes ordentlich zu verbinden? «
    » Es wird schon gehen « , sagte Anne, über Duncan gebeugt. » Ich kümmere mich um ihn! «
    John warf einen scharfen Blick in Felicitys Richtung.
    » Um Miss Felicity solltet Ihr Euch ebenfalls kümmern. « Mit diesen Worten verließ er die Kajüte.
    Anne, die bereits damit beschäftigt war, frische Tücher aus der Kommode zu holen, drehte sich alarmiert um. Felicity saß immer noch zusammengesunken da, das Gesicht grau und eigenartig verzerrt.
    » Felicity! « Erschrocken lief Anne zu ihr. » Was hast du? «
    Anstelle einer Antwort kam nur ein mattes Stöhnen, und als Anne vorsichtig Felicitys Arme zur Seite zog, sah sie den großen dunklen Fleck. Zwischen Rippen und Hüfte war das Kleid nass von Blut.
    » Du bist verletzt! « , rief Anne schockiert. » Lass mich sehen! « Sie lief zu ihrer Reisekiste und holte eine Schere heraus, mit der sie hastig Felicitys Kleid aufschnitt.
    » Nicht « , protestierte Felicity schwach. » Zuerst Duncan… «
    » Der wird es schon aushalten, er ist zäh. « Anne hielt die Luft an, als sie die Wunde in Felicitys Seite sah. Ein Loch klaffte seitlich in der Taille, so groß, dass man zwei Finger auf einmal hätte hineinstecken können.
    » Ein großer Splitter « , murmelte Felicity. » Ich hab ihn rausgezogen, aber es hört nicht auf zu bluten. « Sie zuckte zusammen, wobei Anne nicht zu sagen wusste, ob es vor Schmerz war oder vor Schreck, weil in diesem Moment wieder Kanonendonner ertönte. Doch diesmal war es weiter weg. Sie hatten sich von dem angreifenden Schiff entfernt.
    Hastig machte sich Anne daran, Felicitys Wunde zu verbinden. Sie drückte ein sauberes Tuch darauf und wickelte einen festen Leinenverband um den verletzten Leib, und noch während sie damit beschäftigt war, verlor Felicity das Bewusstsein. Sie kippte einfach ohne Vorwarnung zur Seite, und Anne schaffte es gerade noch, sie zu halten. Duncan lag unterdessen immer noch reglos auf dem Tisch. Als das Schiff unversehens in schwere Dünung geriet, musste Anne mit beiden Händen zupacken, damit er nicht zu Boden fiel. Gleichzeitig drohte auch Felicity von der Bank zu rutschen, was Anne nur knapp verhindern konnte, indem sie sich dicht neben sie setzte. Sie blickte zwischen beiden Verletzten hin und her und fühlte bei aller Verzweiflung eine gewisse hysterische Erheiterung. Hier saß sie nun und musste zwei Freunden, die allem Anschein nach dem Tode näher waren als dem Leben, gleichzeitig beistehen, und dabei hatte sie nur zwei Hände! Sie bezwang die aufsteigende Panik und machte sich so gut es ging ans Werk. Zunächst legte sie Felicity vorsichtig der Länge nach auf die Bank. Unter beherztem Einsatz der Schere befreite sie sodann Duncans Oberkörper von aller hinderlichen Bekleidung. Als sie das zerfetzte, blutgetränkte Hemd und den provisorischen Verband entfernt hatte, war zu sehen, dass seine Wunde nicht ganz so schlimm war wie befürchtet. Ein fingerdicker Splitter hatte sich unterhalb des Schultergelenks ins Fleisch gebohrt, doch er war nicht so tief eingedrungen wie bei Felicity. Eine frische Kompresse und eine feste Bandage stillten die Blutung fürs Erste zufriedenstellend. Dann nähte sie die Platzwunde an seinem Hinterkopf und verband sie ebenfalls. Mehr konnte sie nicht tun. Sie hätte ihn gern ins Bett verfrachtet und Felicity gleich neben ihn gelegt, dann hätten beide wenigstens eine weiche Unterlage gehabt. Das Alkovenbett war dafür breit genug. Doch sie allein war nicht stark genug dafür. John oder jemand anderes würden ihr helfen müssen. Das Schiff befand sich

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