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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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das sie je gekannt hatte. Ein Zufluchtsort voller Liebe, umhüllt von goldenem Sonnenschein, bevor Harold Dunmore alles zerstört hatte. Wie so häufig verwandelte sich die freundliche, helle Traumwelt in bedrohliche, böse Dunkelheit. Bilder des Entsetzens suchten sie heim. Ihre Schneiderin, die ihr gerade das Brautgewand anpassen wollte und vor ihr kniete, um die Säume zu prüfen. Ihr eigenes Spiegelbild, das eine nicht mehr ganz junge, aber leidlich ansehnliche Braut zeigte. Die schwingenden Röcke und das edel bestickte Oberteil, mit dem sie richtig hübsch aussah, ganz anders als sonst. Und dann Harold. Wie er mit dem bluttriefenden Messer ins Zimmer kam und die Schneiderin erstach, bevor er auf sie selbst losging. Die wilde Flucht. Auf der Treppe die tote Magd, ebenfalls von Harold hingemetzelt. Auf der Veranda ihre Mutter, mit aufgeschlitzter Kehle, unter ihr ein See von Blut, während Harold die Treppe herunterkam. Und dann der Dschungel. Sie lief und lief und konnte dem Mörder doch nicht entkommen. Er war zu dicht hinter ihr, und sie stolperte ständig über das lange Kleid. Sie hörte seinen Atem, roch das Blut an seinen Händen. So nah! Sie musste…
    Keuchend fuhr sie hoch, der Albdruck wie ein Mühlstein auf ihrer Brust. Den Traum hatte sie schon oft gehabt. Die erste Zeit fast jede Nacht, erst in den letzten Wochen seltener. Mittlerweile suchte er sie kaum noch heim. Sie führte es darauf zurück, dass sie Summer Hill verlassen hatte. Je weiter sie sich von dort entfernte, desto weniger Macht hatten die Träume über sie. Es war richtig, dass sie fortgegangen war!
    Während sie sich dumpf fragte, warum sie sich das immer wieder mit solcher Eindringlichkeit selbst beteuern musste, lenkte Duncan ihre Aufmerksamkeit auf sich. Er war aufgewacht.
    » Anne « , murmelte er mit belegter Stimme. » Das Schiff… Die Männer… Gott, mein Schädel dröhnt! Wo ist John? «
    » Er hat alles bestens im Griff « , behauptete sie, obwohl sie keine Ahnung hatte, ob es stimmte. Sie wusste nicht einmal, wie lange sie geschlafen hatte. » John hat das Kommando übernommen und sorgt dafür, dass wir heil ankommen. « Sie rappelte sich vom Boden hoch und betrachtete Duncan. Er sah schrecklich aus. Sein Gesicht war unter dem dunklen Bartschatten bleich wie der Tod, die Augen lagen tief in den Höhlen. » John kümmert sich um alles « , wiederholte sie. » Wir sind den Holländern entkommen und machen gute Fahrt. Sicher werden wir bald die englische Küste anlaufen. Du bist verletzt, aber die Wunde an der Schulter ist nicht schlimmer als die, die du dir letztes Jahr bei dem Sturm zugezogen hast. Die Kopfwunde ist auch nicht tief. Ich habe sie ordentlich genäht. «
    » Was zum Henker… « Er hatte gemerkt, dass Felicity neben ihm lag. Sie schlief noch; das Mittel tat seine Wirkung. Kraftlos versuchte er, sich aufzurichten, doch Anne hinderte ihn daran.
    » Sie ist verletzt, Duncan. Ein Splitter hat ihr die Seite aufgerissen. Ich habe sie verbunden, aber sie hat viel Blut verloren und benötigt Ruhe. «
    » Lass mich aufstehen, ich gehe unter Deck. Mir reicht eine Hängematte. «
    » Nein, das tut es nicht. Ihr seid beide schwer verletzt und braucht ein bequemes Lager. Für übertriebene Feinfühligkeit oder Rücksichtnahme besteht kein Anlass. Das Bett ist breit genug für zwei, schließlich schlafe ich jede Nacht mit Felicity darin. Nachdem deine Männer sich so abgemüht haben, dich und Felicity hierherzuschleppen, bleibst du nun gefälligst liegen und erholst dich. Wenigstens noch für ein paar Stunden, sonst riskierst du, dass die Wunde wieder anfängt zu bluten. «
    » Du bist ziemlich gut im Befehle geben. « Er musterte sie mit trübem Blick, dann fing er an zu würgen. Anne hielt ihm den bereitgestellten Kübel hin, und nachdem er den Rest seines Mageninhalts von sich gegeben hatte, sank er stöhnend zurück. » Verdammt, was ist los mit mir? Wieso ist mir so speiübel? «
    » Dir ist bei dem Mastbruch irgendwas auf den Kopf gefallen. « Sie unterdrückte einen Anflug von Belustigung. » Jetzt kannst du nachfühlen, wie es ist, seekrank zu sein. «
    Mit finsterer Miene schob er den Kübel weg, dann verlagerte er ein wenig sein Gewicht, um so weit wie möglich von Felicity abzurücken. » Wie geht es ihr? « , wollte er wissen.
    » Ich konnte die Blutung stillen, aber die Wunde ist tief. « Anne seufzte. » Ich bin kein Medicus, meine Kenntnisse und Fähigkeiten beschränken sich auf das, was ich mir bei Mutter

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