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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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zweifelte nicht daran, dass er der Kazike war, denn er war von den dreien der Älteste und gab den beiden anderen Anweisungen– ihnen bedeutete auszusteigen. Sie tat es, ganz steif vom unbequemen Sitzen und nass geschwitzt von der feuchten Wärme. Das Kleid klebte ihr unangenehm eng am Körper. Besorgt sah sie sich nach Edmond um, der hinter ihr ans Ufer kletterte, den Reisesack geschultert und das Gesicht von der Hitze gerötet.
    Sie waren umgeben von Dschungel, einem Gewirr aus sattgrünen Pflanzen, bestehend aus Blättern, Stängeln, Wurzeln, Stämmen, Lianen, Moos, Blütenbüscheln– alles war ineinander verschlungen und verwachsen, sodass ein Durchkommen unmöglich schien. Erst als Deirdre dieser Gedanke kam, erkannte sie, dass sie sich unbewusst gefragt hatte, ob sie und Edmond den Indianern wohl durch eine rasche Flucht würden entkommen können.
    Sei nicht albern, befahl sie sich. Keiner wird uns etwas tun! Warum sollten sie auch? Wir meinen es doch nur gut mit ihnen!
    Die drei Indianer zogen das Kanu an Land und legten es mitsamt den Paddeln am Fuß eines gewaltigen, von Schlingpflanzen überwucherten Urwaldriesen ab. Nun sah Deirdre auch den schmalen Trampelpfad, der vom Ufer in den Wald führte, tief hinein in das wildwüchsige Dickicht. Eine Spur von Rauch lag in der Luft, und aus nicht allzu weiter Ferne ertönte das Lachen eines Kindes, gefolgt vom Gezeter einer Frau. Ganz in der Nähe musste sich das Dorf der Eingeborenen befinden.
    » Wir sind da « , sagte Edmond. Er wirkte überrascht, als hätte er schon nicht mehr daran geglaubt, dass die Indianer ihn wirklich an das ersehnte Ziel bringen würden.
    » Ja « , sagte Deirdre mit flacher Stimme. » Wir sind da. «
    Der Kazike hatte sich zu ihr umgedreht und starrte sie an. Offen und unverhohlen. Sein Blick sagte alles. Er hatte sie mitgenommen, weil er sie besitzen wollte. Sie setzte an, es Edmond zu sagen, doch der war schon losgestapft, hinein in den Wald. Er folgte den beiden jüngeren Indianern auf dem Weg in ihr Dorf.
    Deirdre setzte sich hastig in Bewegung, um aufzuschließen, doch sie hatte kaum den ersten Schritt getan, als ihr von hinten der Hut herabgezogen wurde. Eine Hand schlang sich in ihr Haar und hielt sie fest. Der Kazike löste ihr den Zopf und strich mit den Fingern durch die schweren roten Flechten, bis sie sich zu lockigen Strähnen aufplusterten. Er gab ein entzücktes Seufzen von sich, ließ sie dann aber zu ihrer Erleichterung wieder los und gab ihr einen Schubs in Richtung Dorf. Stolpernd entfernte sie sich von ihm und versuchte, Edmond einzuholen, doch bei jedem ihrer Schritte spürte sie die Nähe des Indianers, der dicht hinter ihr blieb. Ihr Herzschlag tönte in ihren Ohren so laut wie Donner. Sie war erfüllt von lähmender Angst.

18
    D uncans Schulter schmerzte, als er vom Pferd stieg und das Halfter dem Rossknecht übergab, der vor dem Mietstall auf Kundschaft wartete. Er hätte doch besser die Kutsche nehmen sollen, auch wenn es deutlich länger gedauert hätte. Der Ritt auf dem alten Gaul, den er sich von seinem Verwalter ausgeborgt hatte, war alles andere als angenehm gewesen. Die Wunde, die der Holzsplitter hinterlassen hatte, war zwar gut verheilt, doch weil er fast an derselben Stelle eingedrungen war, an der es ihn auch schon im vorigen Jahr während des Hurrikans auf Barbados erwischt hatte, verzögerte sich die Narbenbildung. Jede Bewegung mit dem rechten Arm tat noch weh, zweifellos eine Folge seiner Ungeduld. Anne hatte ihm prophezeit, dass die Schmerzen umso länger anhalten würden, je weniger er sich schonte. Er wusste, dass sie recht hatte– so wie fast immer–, doch das hatte ihn nicht davon abgehalten, nur wenige Tage nach dem Angriff der Holländer mit einem festen Verband um der Schulter wieder aufs Oberdeck der Elise zu steigen und dort die Reparaturarbeiten zu beaufsichtigen. John hatte die Fregatte sicher durch den Kanal nach Hause gebracht, zur südlichen Küste von Essex, wo sie nun im Trockendock lag. Duncan hatte bei der Werft, die ihm sein Großvater vermacht hatte, zu seiner Erleichterung alles in bester Ordnung vorgefunden. Das Geschäft florierte, besser hätte Duncan es selbst auch nicht machen könnten. Guy Hawkins, dem er im vergangenen Jahr die Verwaltung des Betriebs übertragen hatte, erledigte seine Sache gut, er hatte mehrere Aufträge an Land gezogen und sogar neue Zimmerleute eingestellt. Für die Arbeiten an der Elise standen genug Männer zur Verfügung. Der

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