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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Franzose. « Die Lüge kam ihr glatt über die Lippen. Entschlossen fuhr sie fort: » Sie tun das, was ich ihnen befehle, solange mein Mann nicht hier ist. Und ganz bestimmt werden sie nicht auf mein Geheiß die Hand gegen unschuldige Eingeborene erheben. Und nun lebt wohl, Colonel. Ich habe Wichtigeres zu tun, als über so abenteuerliche Pläne wie den Euren zu diskutieren. «
    Auf ihrem Weg zum Haus fühlte sie seinen brennenden Blick in ihrem Rücken, und in diesem Moment war ihr klar, dass er alles daransetzen würde, ihr diese Niederlage heimzuzahlen.
    Deirdre schlug eine Mücke tot, die sich auf ihren Hals gesetzt hatte, ungefähr die hundertste seit ihrem Aufbruch. Hier auf dem Wasser gab es besonders viele der geflügelten, summenden Ungeheuer. Es kam ihr so vor, als würde sie bei lebendigem Leib von ihnen aufgefressen, und es gab keine Möglichkeit, ihnen auszuweichen.
    Sie saß am Ende des Kanus, das von drei Kariben in gleichförmigem Takt gerudert wurde. Dicht vor ihr hockte Edmond, der in seinem dunklen Priestergewand nicht weniger unter der Hitze litt als sie, doch er tat einfach so, als machte es ihm nichts aus. Seine Mission war ihm wichtiger als ein paar blutgierige Moskitos oder die sengende Sonne. Lady Elizabeths Bericht von den schrecklichen Plänen des Colonels hatte Edmond so sehr empört, dass er sofortige Gegenmaßnahmen beschlossen hatte. Er war durchdrungen von dem Wunsch, die Eingeborenen zu retten. Und wenn er dann schon einmal in deren Dorf sei, so seine mit großer Überzeugung vorgetragene Überlegung, könne er auch gleich versuchen, den Indianern die Grundlagen des christlichen Glaubens zu vermitteln. Deirdre hatte ihn gerade noch davon abbringen können, nicht auf der Stelle loszumarschieren, sondern wenigstens den nächsten Morgen abzuwarten. Trotz aller Vorbehalte hatte Deirdre sich ihm angeschlossen, mit dem festen Willen, ihm beizustehen, was immer auch geschah. Sie hatte ihn nicht auf diese Insel geschleppt, um ihn ausgerechnet dann, wenn er sie am nötigsten brauchte, im Stich zu lassen.
    Sie waren in der Frühe aufgebrochen. Edmond war vorangegangen und hatte ihnen mit der Machete einen Weg durch dichten Farn und andere tropische Gewächse freigeschlagen. Sie hatten sich in der Nähe des Flusses gehalten, denn sie wussten, dass er zum Dorf der Indianer führte. Nach einer schweißtreibenden Wanderung durch unwegsames, hügeliges Gelände waren sie am Ufer auf drei Indianer gestoßen, die dort um ein Feuer hockten und Fisch brieten. Edmond hatte gestenreich und mit diversen Begriffen aus seinem frisch erworbenen karibischen Wortschatz versucht, ihnen begreiflich zu machen, welche Gefahr ihnen drohte, doch sie schienen es nicht zu verstehen. Daraufhin hatte Edmond sie– abermals mittels zahlreicher Gebärden– gebeten, ihn schnellstmöglich zu ihrem Stammeshäuptling zu führen, womit sie sich erstaunlich bereitwillig einverstanden erklärt hatten.
    Deirdre fühlte sich alles andere als wohl dabei, denn sie hatte einen der Männer wiedererkannt– es war derjenige, der am Strand ihr Haar angefasst hatte. Er saß mit gekreuzten Beinen in der Spitze des Kanus. Ab und zu blickte er über die Schulter nach hinten. Sein glattes, von Tätowierungen bedecktes Gesicht, das nicht den geringsten Bartwuchs aufwies, war gleichbleibend freundlich. Er lächelte jedes Mal, wenn er sie ansah, und Edmond, der vor ihr saß, lächelte zurück, weil er höflich sein wollte und die Leutseligkeit des Eingeborenen auf sich selbst bezog.
    Deirdre wich den Blicken des Indianers aus und starrte auf den Fluss, dessen trübes Wasser sich kräuselnd vor dem Bug des schmalen, langen Einbaums teilte.
    » Hast du Durst? « , fragte Edmond.
    Ihr war klar, dass er damit in Wahrheit zum Ausdruck bringen wollte, dass er Durst hatte. Sie schüttelte den Kopf und reichte ihm unaufgefordert den Wasserschlauch, den sie wohlweislich mitgenommen hatte, ebenso wie ausreichenden Proviant. Er selbst hätte es glatt vergessen, weil er es mit dem Aufbruch so eilig gehabt hatte. Nur an das Hemd zum Wechseln und die Bibel hatte er gedacht.
    Eine leise Zärtlichkeit überkam sie, als sie ihn beim Trinken beobachtete. Er hatte den Kopf zurückgelegt, sein Adamsapfel bewegte sich, und beim Anblick seines schmalen, verletzlichen Halses hätte sie am liebsten die Hand ausgestreckt und ihn gestreichelt. Seine Augen waren geschlossen, während er trank, die Wimpern flatternde Bogen auf den von der Sonne geröteten Wangen. Die

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