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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Kanonenbeschuss der Holländer hatte einigen Schaden hinterlassen, aber in einer Woche würde das Schiff wieder seeklar sein.
    Anne und Felicity befanden sich noch in dem Haus, das Duncan ebenso wie die Werft von seinem Großvater geerbt hatte. Guy Hawkins, der mit seiner Familie dort wohnte, hatte eilends eine Schlafkammer für die unerwarteten Gäste geräumt. Felicity brauchte viel Ruhe, nach dem schweren Blutverlust würde es noch eine Zeit lang dauern, bis sie wieder auf den Beinen war. Anne umturtelte sie wie eine Glucke ihr Küken, sie ließ nicht zu, dass Felicity auch nur einen Finger rührte. Die Weiterreise, so hatte sie kategorisch erklärt, würde eben warten müssen, egal wie sehr Felicity darauf fieberte, endlich nach Holland aufzubrechen.
    Einstweilen war Duncan froh, die zwei Frauen überhaupt lebendig über den Ozean befördert zu haben. Demnächst würde er sie erst einmal nach Raleigh Manor bringen, wo er ohnehin nach dem Rechten sehen musste. Ob und wie es von dort aus nach Holland weiterging, würde sich schon finden. Irgendwie musste er es möglich machen, das war er ihr schuldig. Er würde schon dafür sorgen, dass sie heil und sicher bei ihrem geliebten Kapitän landete!
    In Gedanken versunken, schritt Duncan zügig in Richtung Whitehall aus. Am Morgen hatte es geregnet, es war trotz der sommerlichen Jahreszeit kühl. Die Luft war feucht und diesig, dabei aber alles andere als frisch. Der Rauch unzähliger Herdfeuer drang aus den Schornsteinen und senkte sich mit beißendem Gestank hinab in die Gassen, wo er sich mit dem üblen Geruch voller Latrinen vermischte, sodass man mit jedem Atemzug davon belästigt wurde. Aus den Traufen und von den überkragenden Fassaden triefte es aufs Pflaster. Ein vorbeifahrendes Fuhrwerk rumpelte durch eine Pfütze, Wasser spritzte von den eisenbeschlagenen Rädern. Duncan sprang hastig zur Seite, damit er nicht von oben bis unten durchnässt wurde.
    Als er auf die zum Palast führende Hauptstraße einbog, traten zwei in Schwarz gekleidete Kaufleute aus einem der Häuser und warfen ihm unter ihren tief gezogenen Hüten einen misstrauischen Blick zu, bevor sie weitergingen. Eine Frau, die er überholte, sah ihn erschrocken von der Seite an. Ihm war klar, dass er mit seinem sonnenverbrannten Gesicht und dem gut bestücken Waffengurt einen ungewöhnlichen Anblick bot. Ohne Säbel und Pistole wäre er sich jedoch nackt vorgekommen. Für ihn gab es keinen Grund, darauf zu verzichten, schon gar nicht in London, wo Raubgesindel an jeder Straßenecke lauerte. Er hatte absichtlich den Umhang offen gelassen, damit jeder sehen konnte, dass er sich im Bedarfsfall seiner Haut zu wehren wusste.
    Alles in allem erweckte London an diesem Nachmittag einen tristen Eindruck, der auch durch die imposanten Dimensionen des vor ihm liegenden Gebäudekomplexes nicht aufgewogen wurde. Über Jahrhunderte hinweg immer wieder erneuert und erweitert, umfasste der Palast von Whitehall zahlreiche sich aneinanderreihende Bauten, die in ihrer Gesamtheit fast wie eine eigene Stadt wirkten. Im Angesicht der Ehrfurcht gebietenden Mauern fühlte Duncan sich auch diesmal wieder fehl am Platze, obwohl er schon häufiger hier gewesen war. Er fragte sich, ob dies das London war, das Anne suchte und zu finden hoffte, und ob es ihr die Heimat ersetzen konnte, die sie mit Barbados aufgegeben hatte. Sie hatte London das letzte Mal in ihrer Kindheit gesehen, weshalb sich erst zeigen musste, ob ihr der Anblick der Stadt wirklich so vertraut und freundlich erscheinen würde, wie sie es sich erträumte. Duncan fühlte sich stets unbehaglich, wenn er nach London kam. Im Vergleich zur Weite des Meeres und der offenen, strahlenden Helligkeit des Tropenhimmels war die Stadt ein Gefängnis. Die beeindruckende Architektur der Paläste und Kirchen und der Prunk einiger Straßenzüge und Plätze vermochten nicht darüber hinwegzutäuschen, dass London von Hunderttausenden überwiegend armer, oftmals sogar am Rande des Elends dahinvegetierender Menschen bewohnt war, deren Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod bisweilen der einzige Anreiz war, sich dem freudlosen Dasein im Diesseits zu unterwerfen.
    Vor dem Gebäude der Kommandantur meldete Duncan sich beim wachhabenden Offizier an. Er wies sich durch seinen Kaperbrief aus, der mit dem Siegel der Admiralität versehen und immer noch gültig war, jedenfalls war ihm bislang nichts Gegenteiliges zu Ohren gekommen. Wie er von Guy Hawkins erfahren hatte, waren die politischen

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