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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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schmerzliche Sehnsucht, die sie an ihn band, vertiefte sich und lastete mit einem Mal auf ihr wie ein Fels. Sie wäre so gern frei gewesen, wollte nicht länger unter diesen bittersüßen Gefühlen leiden, aber ihre Gefühle für ihn waren zu stark, viel stärker als ihr Wille. Ihr Leben war untrennbar mit dem seinen verbunden, seit jenem Tag im Dschungel auf Barbados, als sie geschunden und zerschlagen zu ihm gekommen war und er sie aufgenommen hatte, in dieser erbärmlichen Holzhütte, die seine Kirche gewesen war. Er hatte sein spärliches Mahl mit ihr geteilt und ihr Obdach gegeben, und seine Kraft, die er aus dem Glauben schöpfte, hatte sie gerettet und ihr neuen Mut gegeben. Damals, als ihre Liebe zu ihm erwacht war, hatte sie noch gehofft, es könne ein gemeinsames Leben für sie beide geben, so wie es andere Frauen mit ihren Männern hatten. Edmond liebte und begehrte sie, sie hätte blind sein müssen, um das nicht zu sehen. Doch es half nichts, denn seine Liebe zu Gott schloss sie von alldem aus, was sie sich erträumte.
    Das Wasser hatte Edmond erfrischt, er war zu einem Gespräch aufgelegt.
    » Wusstest du übrigens, warum man die Indianer Kariben nennt? « , fragte er sie.
    » Nein « , behauptete sie. Irgendwer hatte es ihr schon mal erzählt, doch es tat gut, mit ihm zu reden, denn das hielt sie vom Denken ab.
    » Sie selbst nennen sich Callinago oder auch Calina. Die Spanier, die als Erste auf die Antillen kamen, haben es in Kaniba oder Kariba umgewandelt, daher kommt also der Name. «
    » Glaubst du, dass es Menschenfresser unter ihnen gibt? «
    Edmond wiegte ein wenig sorgenvoll den Kopf. » Das ist schwer zu sagen. Ich las einen Bericht des französischen Priesters, in welchem er einen Fall schilderte, der ihm zu Ohren gekommen war. Selbst gesehen hat er es aber nicht. «
    » Da ist bestimmt nichts dran « , sagte Deirdre mit mehr Entschiedenheit, als sie empfand. » Miss Jane meinte, das alles sei nur ein böses Gerücht, das einst von den Spaniern in die Welt gesetzt wurde. «
    » Zu dieser Ansicht neige ich ebenfalls! Wie gut, dass wir uns da einig sind! « Edmond strahlte, und wie immer war seine jungenhafte Begeisterung ansteckend. Deirdre erwiderte sein Lächeln, während er anhob, ihr weitere karibische Ausdrücke zu erläutern.
    » Das Wort der Eingeborenen für Häuptling heißt Kazike « , sagte er.
    Der Indianer drehte sich zu ihnen um. Diesmal lächelte er nicht. Edmond bemerkte es nicht, er hatte sich Deirdre zugewandt und erzählte angeregt weiter.
    » Das Wort Hurrikan kommt auch aus ihrer Sprache, von huracán. Und auch das Wort tobaco kann man sich leicht merken, denn wir haben unseren Tabak danach benannt. «
    Deirdre hörte ihm kaum noch zu. Sie fühlte sich zunehmend unwohl in der Gegenwart der Indianer. Anfangs hatte sie sich damit beruhigt, dass die Männer, sofern sie ihr oder Edmond etwas hätten antun wollen, längst zur Tat geschritten wären. Doch mittlerweile war sie dessen nicht mehr sicher. Die Blicke, die der Eingeborene ihr über die Schulter zuwarf, wurden aufdringlicher, und allmählich schien es auch Edmond zu bemerken. Er sagte nichts, rutschte aber unruhig herum und beobachtete die drei Eingeborenen mit wachsender Aufmerksamkeit. Sie waren alle drei nicht sonderlich groß, aber sehnig und stark. Ihre Körper waren bis auf die Lendenschurze nackt. Arme und Beine hatten sie mit seltsamen Symbolen in roter und schwarzer Farbe bemalt, was den Eindruck von Fremdartigkeit noch verstärkte
    Deirdre zog ihren Hut tiefer ins Gesicht, zum einen, um sich besser gegen die Sonne zu schützen, zum anderen, um den Blicken des Indianers zu entgehen.
    Der Fluss erstreckte sich in zahlreichen Windungen nach Südosten. Das Ufer war an diesem Abschnitt von Mangroven überwuchert, ein Dickicht vielfach verzweigten Gehölzes, das bis ins Wasser reichte und allerlei Getier Raum zum Leben bot. Hier und da quakten Frösche, und zwischen den Stelzwurzeln flatterten Vögel, deren lärmender Gesang über den Fluss schallte. Einmal sah Deirdre eine enorme Schlange in einem der Bäume, ein anderes Mal eine Gruppe schreiend bunter Papageienvögel. Die Luft war schwül und zum Schneiden dick.
    Der Fluss war an dieser Stelle viel schmaler als an der Mündung. Zu beiden Seiten wucherten Wurzelwerk und Lianen über die Ufer, es wurde immer beengter. Sehr viel weiter würde das Kanu nicht mehr fahren können.
    Tatsächlich paddelten die Indianer kurz darauf ans Ufer, wo der Anführer– Deirdre

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