Wind der Traumzeit (German Edition)
zusammengerollten Blätter ab und gingen ein. Die Exotik der Blumen und Sträucher, die Nora stets so bezaubert hatte, war verschwunden. Eine solche Trockenheit hätte sie sich nie vorstellenkönnen. Der Wind trug ihr erneut den Brandgeruch zu. Mein Gott, es durfte einfach nicht geschehen. Gerade waren sie sicher und glücklich hier. Die Fliegentür an der Veranda quietschte leise, und Tom kam mit zerzausten Haaren und dunklen Bartstoppeln die kleine Treppe zum Garten herunter. Nora zwang sich zu einem Lächeln. »Na, du bist ja auch schon wach.« Er schlang beide Arme um sie und sah prüfend auf sie hinunter. »Und du? Konntest du nicht mehr schlafen?«
Nora starrte ihn sekundenlang sprachlos an. Manchmal fiel ihr die typisch australische Gelassenheit doch auf die Nerven. Sarkasmus blitzte in ihren Augen auf, als sie sich von ihm losmachte. »Doch, ich habe wunderbar geschlafen, denn es belastet mich nur unwesentlich, dass unser Haus vielleicht abbrennt. Ja, es macht mir wirklich kaum etwas aus, dass wir womöglich alles verlieren, was wir uns gerade erst aufgebaut haben.«
Tom schüttelte den Kopf und seufzte. »Nora, so weit sind wir doch noch nicht. Wir haben seit Tagen Ostwind. Der Wind müsste in nördliche Richtung drehen, ehe es kritisch wird und hier echte Gefahr besteht.« Er sah in die Ferne. »Und selbst wenn er das tut... Dann nehmen wir die Kinder und alles, was wir tragen können, und gehen. Dann ist es eben so. Solange wir gesund und zusammen sind, können wir wieder neu beginnen.« Nora drehte sich um und ging zur Veranda zurück. »Na toll. Das ist ganz genau das, was ich hören wollte. Möchtest du vielleicht noch ein letztes Frühstück in dem Haus einnehmen, das dir so grenzenlos am Herzen liegt?«
Tom unterdrückte ein Lachen und lief rasch hinter ihr her, um sie am Arm festzuhalten. Seine Augen suchten ihren Blick, und seine Stimme klang weich. »Liebling, du weißt genau, dass ich alles tun werde, damit unserem Heim nichts passiert … Ichkann aber nur das tun, was in meiner Macht steht. Wenn ich jetzt schon in Panik verfalle oder wütend mit dem Fuß aufstampfe, bringt das gar nichts.« Er legte eine Hand unter ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste.
Nora pustete sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Manchmal würde es mir aber gut tun, wenn du nicht immer so schrecklich gelassen wärst, du Ausbund an australischer Ruhe.« Er gab ihr einen Kuss und zwinkerte grinsend. »Ich finde, wir ergänzen uns prima, meinst du nicht?«
Nachdem Tom mit den Mädchen in den Ort gefahren war, blieb Nora mit Steven allein zurück. Er war völlig verschwitzt aufgewacht, und so badete sie ihn in aller Ruhe. Dann wickelte sie ihn und zog ihn luftig an, ehe sie mit ihm auf dem Arm in die Küche hinunterging, wo sie ihn in seinen Hochstuhl setzte. Innerlich angespannt, schaltete sie das Radio ein, um die Meldungen über die Brände zu verfolgen. Während sie weiter mit ihrem kleinen Sohn schäkerte, um ihn bei Laune zu halten, griff sie nach einer Banane für seinen Brei. Es kam ihr merkwürdig vor, dass ihr Leben und das der Kinder hier so völlig normal weiterging, während dort draußen noch immer die Feuergefahr lauerte. Sie fand den Gedanken geradezu unerträglich, einfach abwarten zu müssen, ob die Natur die Windrichtung ändern würde oder nicht. Sie setzte sich zu Steven und begann ihn zu füttern. Zwischendurch scherzte sie mit ihm oder kitzelte seine nackten weichen Babyfüße. Seine grünen Augen blitzten übermütig, und er zeigte gut gelaunt ein paar strahlend weiße Zähnchen. Auch er hatte Toms dunkles welliges Haar, und Nora war sich schon jetzt sicher, dass er später einmal eine Menge Mädchenherzen würde höher schlagen lassen. Als sein Schäfchen leerwar, schob sie es aus seiner Reichweite, wischte ihm mit dem Lätzchen den Mund ab, nahm ihn auf den Arm und ging mit ihm durch die Fliegentür auf die Veranda. Sie musste sich einfach davon überzeugen, dass das Feuer noch weit von ihnen entfernt war. Außerdem war sie viel zu unruhig für die üblichen Arbeiten, die eigentlich auf sie warteten.
Nachdem sie im Garten einen kleinen Rundgang mit Steven auf den Schultern gemacht hatte, kehrte sie auf die Veranda zurück und ließ sich in einen Korbsessel fallen. Sie hielt ihren Sohn im Arm und knuddelte ihn. Als er genug hatte, griff sie nach einem Schlüsselbund, der auf dem runden Tisch vor ihr lag, und reichte ihn ihm. Er begann sogleich die einzelnen Schlüssel zu untersuchen. Nora
Weitere Kostenlose Bücher