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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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schaute mich zwar auch heute nicht besonders freundlich an, aber inzwischen glaubte ich fast, dass der zum Strich zusammengekniffene Mund nicht nur mir, sondern ihrer gesamten Situation galt. Wahrscheinlich wünschte sie sich, irgendwo in einem eleganten Ballsaal zu sein, um dort vielleicht einen Liebhaber, wenn nicht sogar einen Ehemann zu finden, anstatt ihre Zeit in der Einsamkeit von Gleann Grianach verbringen zu müssen. Es war sicherlich nicht einfach für eine mittellose Frau in dieser Zeit, Gesellschafterin für ihre jugendliche Verwandte zu spielen, mit wenig Aussicht, jemals einen eigenen Hausstand gründen zu können. Beinahe tat sie mir leid, zumal sie heute sogar darauf verzichtete, mich mit ihren Fragen in Verlegenheit zu bringen.
    Damit dies auch so blieb, entschuldigte ich mich bald nach dem Dinner und kehrte allein in meine Räume zurück. Deren Dunkelheit, die ich sonst eher als gemütlich empfand, deprimierte mich heute jedoch.

    In den letzten Tagen hatte ich wegen der Männer, die im Turm übernachteten, keine Gelegenheit gehabt hinaufzusteigen, aber nun waren sie alle in ihre Täler zurückgekehrt, und das alte Gemäuer gehörte wieder mir allein.
    Die Nachtluft war überraschend warm, und ein leichter Wind strich von Westen her über die Zinnen. Fast meinte ich, das Meer riechen zu können. Ich dachte an meine Freunde, die sicher schon wahnsinnig vor Sorge waren. Die Gesichter meiner Verwandten, sobald sie erfuhren, dass ich als vermisst galt, konnte ich mir gut vorstellen. Wahrscheinlich hatten sie ein paar Flaschen Champagner zur Feier des Tages geköpft und konnten es nun nicht abwarten, bis man mich für tot erklärte. Doch das würde noch eine Weile dauern, und bis dahin durften sie mein Erbe nicht antasten. Und auch später würden sie nur einen Pflichtanteil bekommen. Der Rest des Geldes ginge an wohltätige Organisationen, dafür hatte ich gesorgt.
    Aber was mochte meine Freundin Caitlynn empfunden haben, als sie das Packpferd und meine Kleidung auf dem Felsen entdeckt hatte? Ziemlich sicher hatten sie dort zuerst gesucht, denn Iain war es ja, der mir dieses Ausflugsziel empfohlen hatte. Würde er einen Zusammenhang herstellen zwischen meinem und Alans Verschwinden? »Macht euch keine Sorgen um mich«, flüsterte ich in die Nacht und wünschte mir, meine Worte fänden ihren Weg durch Zeit und Raum zu den einzigen Menschen, die es in jener nun so fernen Welt jemals wirklich gut mit mir gemeint hatten. »Ich habe die Liebe meines Lebens gefunden. Ausgerechnet im achtzehnten Jahrhundert. «
    Mit geschlossenen Augen beschwor ich das Bild meiner Freundin herauf. Sie zwinkerte mir zu, und ihr unnachahmliches Koboldlächeln wirkte so echt, als säße sie tatsächlich
dort oben auf einer der Zinnen und ließe die Beine baumeln. »Lach ruhig, Caitlynn! Ich weiß, du hast immer schon gesagt, ich würde mir die unmöglichsten Männer aussuchen. Glaube mir, dieser hier ist keine Ausnahme. Alan ist arrogant, ein absolutes Alphatier . Du weißt, was ich normalerweise von solchen Männern halte. Er ist aber anders. Er hat den Körper eines Gottes, die Hände eines Engels und das Herz eines Heiligen und … er wird heiraten. Nicht mich. Doch egal, wie naiv das klingen mag: Die kurzen Augenblicke gemeinsamen Glücks sind es wert, nie wieder einen anderen so lieben zu können wie ihn.«
    Lachen erklang aus der Ferne, und ich riss erschrocken die Augen auf. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich einen Schatten über die Zinnen huschen zu sehen, und mein Herzschlag stolperte vor Schreck. Aber da war natürlich niemand. »Oh, verdammt, Caitlynn! Ich weiß selbst, wie pathetisch das klingt!«
    Nachdrücklich wischte ich mir mit dem Ärmel eine Träne von der Nasenspitze, den Rest trocknete der Wind. Noch war ich nicht bereit, aufzugeben. Wenn Alan mich wirklich liebte, musste es doch möglich sein, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Ich gedachte, dies so schnell wie möglich herauszufinden. Morgen würde ich noch einmal mit ihm reden. Entschlossen machte ich mich auf den Rückweg.
    Auf halber Treppe löschte ein Luftzug meine Kerze, ich geriet ins Stolpern, verlor in der Dunkelheit das Gleichgewicht und rollte die steilen Stufen hinab. Kurz sah ich ein Licht aufflackern, dann ein scharfer Schmerz. Um mich herum wurde alles dunkel. Das Schicksal handelt verflucht schnell!, war mein letzter Gedanke.

    »Joanna, kannst du mich hören?«
    Alan. Er rief mich aus dem undurchdringlichen Nebel. Ich

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