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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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unberechenbar, wenn nicht sogar grausam. Ist das wirklich eine Alternative?«

    Alan dachte nach, bevor er antwortete. »Genau das macht sie für mich glaubwürdig. Sie sind den Menschen ähnlich, die sie führen und beschützen sollen.«
    »Du setzt dich doch nicht etwa mit ihnen gleich?«, fragte ich misstrauisch.
    »Der Himmel soll mir auf den Kopf fallen, wenn ich das täte.« Er warf einen raschen Blick nach oben. »Vergebt mir.« Dann lachte er verlegen: »Ich schätze, der Priester hat Recht. Nicht nur unterstütze ich seine Versuche nicht, aus meinen Leuten gottesfürchtige Untertanen zu machen, obendrein bin ich auch noch abergläubisch. Ein ernsthaftes Gebet, ein Ritual – das also, was du Magie nennst –, all diese Dinge bewirken fast immer irgendetwas, wenn auch häufig nicht das, was man sich von ihnen erhofft.«
    »Das gilt doch aber für alle Religionen.«
    »Sollte man meinen, ja. Doch wenn der Pfaffe im Dorf zu seinem Gott betet, dann höre ich keine Hingabe, sondern nur leere Worte.«
    »Dann ist es gar nicht sein Glaube, der dich stört. Du kannst nur den Mann nicht leiden.« Dafür hatte ich Verständnis.
    Alan lachte. »Stimmt.«
    »Warum hast du ihm dann einen Taufstein gespendet?« Ich erinnerte mich, wie der Priester von der Großzügigkeit des Gleanngrianach geschwärmt hatte.
    Alan lächelte listig. »Weil er dorthin gehört.«
    Irritiert sah ich ihn an. »Ach so?«
    »Der Stein befindet sich seit Jahrhunderten an der gleichen Stelle und wurde nur für den Bau des Gotteshauses verrückt. Mein Urgroßvater hat die Kirche auf Wunsch seines Clansvolks über einer Stelle errichten lassen, die schon seit Urzeiten
als magischer Platz galt. Viele unserer Vorfahren waren von der neuen Religion fasziniert, weil sie Gerechtigkeit und bedingungslose Liebe versprach. Auf die alte Magie will aber bis heute kaum jemand von ihnen verzichten, und so haben sie mich gebeten, den Stein wieder an seinen Platz zurückschaffen zu dürfen. Man erzählt sich, dass die Feen nachts kommen, um sich am Tau, der sich in der Vertiefung sammelt, zu laben.«
    Ich musste kichern.
    »Du findest das lustig?«
    »Nein, keineswegs«, keuchte ich. »Es ist nur so, dass der Priester furchtbar stolz auf das Taufbecken ist. Er hat sich jedoch gewundert, warum das Wasser so schnell verdunstete.«
    »Das ist allerdings ein eigenartiges Phänomen.« Ein Lächeln tanzte in Alans Blick. »Für eine Katholikin hast du einen erstaunlichen Humor.«
    »So weit weg finde ich den katholischen Glauben mit all seinen Heiligen und der Dreifaltigkeit eigentlich gar nicht.«
    »Das sehen meine Leute ähnlich. Als kürzlich ein presbyterianischer Prediger ins Dorf kam, um sie zu bekehren, haben sie ihn einfach ausgelacht, bis er wütend weitergezogen ist.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen. Aber als du von den alten Traditionen sprachst, hast du doch nicht nur Magie und Feenglauben gemeint.« Warum klangen meine Worte so abwertend – hatte ich nicht gerade selbst noch über die Magie des Ortes nachgedacht?
    »Pscht! Siehst du den Hügel dort? Darin leben mit ziemlicher Sicherheit Feen, und die haben es gar nicht gern, wenn jemand in diesem Ton über sie spricht.«
    Ich sah hin. In der flachen Talsenke erkannte ich einen dieser eigenartig geformten Hügel, der aussah, als könne er
nicht auf natürliche Weise entstanden sein. Sofort lief es mir kalt den Rücken hinunter. Die Atmosphäre um uns schien sich auf einmal zu verändern, und beinahe erwartete ich, dass jeden Augenblick ein Erdwesen auftauchte, um uns in die Unterwelt zu verschleppen und mich dort zur Strafe gefangen zu halten.
    Die zahllosen abgründigen Sagen, denen ich während meiner Zeit in Irland gelauscht hatte, waren offenbar ebenso wenig an mir vorübergegangen wie deren schottische Auslegungen. Plötzlich schnaubte Brandubh und tänzelte nervös.
    Der Zauber war gebrochen, und seltsamerweise war ich nicht nur erleichtert. Es kam mir vor, als hätte ich etwas Wertvolles verloren, als sei mir gestattet worden, einen Fuß in eine andere Welt zu setzen, nur, damit man mich anschließend im hohen Bogen wieder hinauswerfen konnte. Als sei ich für einen kurzen Augenblick Teil eines größeren Ganzen gewesen; erdverbunden wie Alan, egal, ob er über das Schicksal eines seiner Leute entschied, sich in dieser stolzen Landschaft bewegte oder mich nachts sicher in seinen Armen hielt.
    Die Vorstellung von der Seele eines Ortes, die Einfluss nimmt auf die Menschen, die dort verweilen,

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