Wind Der Zeiten
das Hemd ist.«
Ich schaute an mir herab. »Und wie tief dekolletiert!« Wir kicherten. »Mòrag, es ist wunderschön, aber wie soll ich dir deine Freundlichkeit jemals vergelten?«
»Da mach dir mal keine Sorgen. Das hat alles der Gleanngrianach in Auftrag gegeben.«
Sie hatte schon damals bei der Auswahl meiner Kleidung anlässlich des Gerichtstags ausgezeichneten Geschmack bewiesen. In einer anderen Zeit wäre sie vielleicht Modedesignerin oder Stylistin geworden. »Ich möchte wetten, von der dezenten farblichen Abstimmung hatte er dabei keine Ahnung.«
»Um solche Dinge kümmert sich doch kein Mann. Aber er wird sehen, wie gut ihr zueinanderpasst.«
»Und alle anderen auch.«
»Genau!« Gegen meine Ironie war sie immun. »Und nun zieh die Sachen wieder aus, sicher kommt gleich das Badewasser. Du hast ja keine Vorstellung, wie sehr ich es genieße, selbst einmal verwöhnt zu werden.«
Kaum hatte ich den letzten Rock ordentlich zusammengefaltet, klopfte es an der Tür, und gleich darauf kamen zwei
Mädchen herein. Ich stand noch im Hemd da und schob blitzschnell die Bettdecke unauffällig über den verräterischen Kleiderstapel.
Gemeinsam holten wir die Badewanne hinter dem Paravent hervor und schleppten sie in die Nähe des Kamins. Die Mädchen gossen ihr Wasser in den darin hängenden Kessel und liefen wieder hinunter, um noch mehr zu holen. Als sich die Tür das letzte Mal hinter ihnen schloss, zog sich Mòrag schnell aus und stieg in die Wanne. Wohlig räkelte sie sich in dem dampfenden Bad, während ich ein Leinentuch holte, um ihren Rücken zu waschen. »Joanna, das darfst du nicht tun.«
»Wir sind Freundinnen.«
»Aber du bist auch die Freundin des Gleanngrianach , und wenn alles gutgeht, bald die Baronin Kensary.«
Ich lachte nur: »Bestimmt nicht.«
»Und warum nicht? Du hast dich doch nicht schon wieder mit ihm gestritten?« Mit gerunzelter Stirn drehte sie sich zu mir um. »Was ist jetzt schon wieder los?«
Bevor sie begann, mir Vorhaltungen zu machen, erzählte ich ihr von Alans Entscheidung, zugunsten von Lachlan zurückzutreten, sollte der Herzog von Argyle weiter darauf bestehen, dass der Chief der MacCoinnaichs und sein Mündel heirateten.
Mòrag war nicht begeistert. »Ein Clanoberhaupt kann nicht so einfach zurücktreten.«
»Stimmt, aber er kann verschwinden. Und vielleicht geschieht das ja auch, wenn die Feenkreise uns wieder zurück in meine Welt schicken.«
Leise fragte sie: »Musst du wirklich fort?«
Eine gute Frage. Ich hatte ihr von meiner Familie erzählt, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass ich kein Problem
damit hatte, den Rest meines Lebens zu verbringen, ohne meine unerfreuliche Verwandtschaft jemals wieder zu sehen.
Was also zog mich zurück? Sicher, ich würde meine irische Freundin und ihren Iain vermissen. Sie machten sich bestimmt furchtbare Sorgen, weil ich einfach wie vom Erdboden verschluckt verschwunden war. Aber hier hatte ich auch gute Freunde gefunden und dazu noch eine richtige Familie: den Clan der MacCoinnaichs. Doch die würde ich womöglich so oder so schon bald wieder verlassen müssen. Kein schöner Gedanke. Ein dicker Kloß formte sich in meinem Hals.
»Hast du Heimweh?«
Am Tag vor ihrer Hochzeit sollte ich Mòrag wirklich nicht mit meinen trüben Gedanken behelligen. Ich zückte also mein Messer und rief: »Genug davon. Jetzt geht es dir ans Fell.« Und dann begannen wir unter viel Gelächter, den weichen Flaum von ihren langen Beinen und unter ihren Achseln zu rasieren. Zwischendurch schärfte ich das Messer, wie Alan es mir gezeigt hatte, und machte anschließend meiner eigenen Körperbehaarung ebenfalls den Garaus. Es war höchste Zeit. Wir trockneten uns gegenseitig ab und nahmen reichlich von der Creme, die Mòrags Mutter mir angerührt hatte. Sie heilte Verletzungen, die beim Rasieren mit einem Messer schnell entstehen konnten, fast über Nacht. Sogar Alan benutzte sie inzwischen.
Den Rest des Nachmittags saßen wir vor dem Kamin, bürsteten unsere Haare, bis sie getrocknet waren und glänzten, sangen und erzählten uns Geschichten. Und dann fiel mir plötzlich siedend heiß ein, dass ich zum Tee verabredet war. »Ich habe Mary ganz vergessen! Ich sollte ihr beim Tee Gesellschaft leisten. Weißt du, eigentlich ist sie ganz in Ordnung. «
»Dann bring sie doch heute Abend mit.«
»Und du hast nichts dagegen?« Ich war überrascht.
»Es wird Zeit, dass sie sich an unsere Art gewöhnt. Wenn sie Lachlan wirklich heiraten
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