Wind Der Zeiten
mehr auf, und später können wir Dolina fragen. Sie weiß bestimmt Rat.«
Ich holte das Tuch, und da ich keinen zweiten Gürtel besaß,
steckten wir es mit Nadeln in der Taille fest und drapierten den Rest um ihre Schultern. Von dem relativ schlichten Seidenkleid darunter war nicht mehr viel zu sehen.
Als wir Mòrags Elternhaus betraten, schauten einige Frauen zu Mary herüber und begannen zu tuscheln, aber sie lächelte freundlich, als bemerke sie nicht, wie man sie misstrauisch beäugte.
Dolina schien eingeweiht zu sein, sie empfing uns mit ausgestreckten Armen. »Da seid ihr endlich, kommt herein.« Sie führte uns zu einem jungen Mädchen.
»Du musst Duncans Schwester sein«, begrüßte ich sie.
Dolina lachte: »Nicht wahr, sie ist ihrem Bruder wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Mòrag gesellte sich nun auch zu uns, hieß Mary ganz selbstverständlich willkommen und bot uns einen Becher Ale an. Die Spannung ließ ein wenig nach, und die Frauen begannen zu schwatzen. Anfangs übersetzte ich so gut ich konnte, aber irgendwann verlor ich selbst den Überblick.
Meine Freundin setzte sich auf den Hocker in der Mitte des Raums, und zwei Frauen brachten einen kleinen Waschzuber herbei.
»Jetzt müssen die Brautjungfern ihre Füße waschen!«, flüsterte Mary und nickte mir zu. »Geh schon, sie warten auf dich.«
Unter viel Gekicher zogen wir Mòrag die Strümpfe aus, ergriffen sie an beiden Armen, und ihr blieb nichts anderes übrig, als ins Wasser zu steigen. Jemand reichte mir ein großes Stück Seife, und wir wuschen ihre Füße, an denen sie offenbar sehr kitzlig war, denn sie konnte sich vor Lachen kaum mehr halten und ließ sich zurück auf den Schemel plumpsen.
Inzwischen hatten sich auch Männer vor dem Haus versammelt. Angelockt von unserem Lärm, spähten ein paar Mutige durch die Tür.
»Duncan«, rief einer. »Deine Braut hat lange Beine, da wirst du noch schneller laufen müssen als bisher, um immer mit ihr Schritt halten zu können.« Ein anderer rang in komischer Verzweiflung die Hände und stöhnte: »Ach, wäre ich doch nur das Stück Seife in diesen lieblichen Händen.« Die Männer grölten, und einige Frauen drohten im Spaß mit dem Finger, sie sollten nicht so freche Reden schwingen.
Auf einmal flutschte mir die Seife aus der Hand, und als ich im Wasser nach ihr tastete, hielt ich plötzlich einen Ring zwischen meinen Fingern. Den musste jemand verloren haben. Ich hielt den Ring hoch und schaute mich nach der Besitzerin um, als Mòrag plötzlich kreischte: »Es ist Joanna! Sie wird als Nächste heiraten!«
Ehe ich wusste, wie mir geschah, umarmte sie mich, und auch Duncans Schwester gratulierte mir scheu. Die Besitzerin kam und nahm ihr Schmuckstück wieder an sich. »Wer den Ring einer glücklich verheirateten Frau während der Zeremonie des Füßewaschens im Wasser findet, so sagt man, heiratet als Nächstes. Und ich bin glücklich verheiratet, Mädchen«, lächelte sie. »Seit zweiundzwanzig Jahren schon.«
Bevor ich etwas entgegnen konnte, entstand erneut Unruhe, und ein zerzauster Duncan erschien umringt von vielen Frauen in der Tür. Einer seiner Kameraden gab ihm von hinten einen festen Stoß, und der Ärmste wäre beinahe in den Bottich gefallen, aus dem seine Braut inzwischen herausgestiegen war. Unter viel Gejohle wurden nun seine Beine mit Ruß und Lehm beschmiert, und dabei gingen die Damen nicht sehr zimperlich vor, mehr als einmal sah ich eine Hand
weit unter seinem Kilt verschwinden, und hier und da waren freche Kommentare über die Beschaffenheit der muskulösen Beine zu hören.
Schließlich hatte Mòrag die Nase voll und rief: »Lasst mir für morgen noch etwas übrig von meinem Bräutigam!«
Duncan warf ihr einen dankbaren Blick zu und floh hinaus zu seinen Freunden, die sich an Angus’ Ale bedienten und wenig Mitleid mit ihrem Freund zeigten, der vergeblich versuchte, die schnell trocknende Masse von seinen Beine abzuwaschen.
Im Haus war es heiß und stickig geworden, und so folgten wir ihm bald auch hinaus. Dabei begegnete mir Dolina. Ich zog sie rasch beiseite und schilderte ihr Marys Kleidungsproblem.
»Lachlan wird sich freuen, wenn er das hört. Mach dir keine Gedanken, es ist für alles gesorgt. Wie gefällt dir übrigens dein neuer Rock?«, fragte sie zwinkernd und eilte davon, ohne meine Antwort abzuwarten.
»Das wüsste ich auch gern.«
Ich fuhr herum. Alan!
Er strich mir mit dem Handrücken über die Wange. »Ich bin stolz auf dich!«,
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