Wind Der Zeiten
Sprossenfenstern machte es einen abweisenden, ja geradezu arroganten Eindruck.
Sehr effektvoll. Bei mir funktionierte der Trick auf jeden Fall, ich wäre am liebsten sofort wieder umgekehrt.
Rechts fügte sich ein weiterer, dreigeschossiger Trakt mit geschwungener Steintreppe und hohen Fenstern an, der aussah, als sei er erst kürzlich in bester Barockmanier renoviert worden. Im Vergleich erschien er behäbig, aber zumindest ein bisschen freundlicher.
So eine Instandsetzung kostete vermutlich Millionen. Trotz der unterschiedlichen Baustile, die dieses Herrenhaus – Schloss wäre ein zu großes Wort gewesen – in sich vereinte, war der Gesamteindruck harmonisch. Offenbar hatte der einstige Besitzer einen talentierten Architekten engagiert, als er den Barockbau in Auftrag gab.
Ich nahm an, dass Alan mich hierherbrachte, weil der Weg zurück zum Gasthof, nur in ein Wolltuch gewickelt, viel zu weit gewesen wäre. Das war sehr aufmerksam von meinem Entführer, und ich sollte ihm eigentlich dankbar sein, anstatt den Gleanngrianach , wie er sich in diesem Historienspiel nannte, mit eisigem Schweigen zu strafen.
Wir ritten über die Wiesen unterhalb des Herrenhauses, auf denen Ponys und einige Hochlandrinder unter der Aufsicht eines kleinen Jungen grasten. Die Rindviecher hatten einen wolligen Pelz, ziemlich beeindruckende Hörner und waren rabenschwarz. Was mir aber ganz besonders auffiel, war ihre geringe Größe. Verglichen mit den Kühen, die ich von zu
Hause kannte, wirkten sie geradezu winzig. Anschließend passierten wir einen akkurat gezirkelten Garten, an dessen Ende ich hohe Hecken erspähte. Womöglich befand sich dahinter ein Irrgarten.
Die Kehle schnürte sich mir zu. Ich teilte die Vorliebe unserer Vorfahren für Labyrinthe dieser Art nicht. Als Kind hatte ich mich einmal in solch einer barocken Anlage verlaufen. Stundenlang war ich zwischen hohen Hecken umhergeirrt, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Schließlich hatte mich ein Gärtnergehilfe gefunden und zu meinen Eltern zurückgebracht, die ihren Urlaub auf der Schlossterrasse genossen und über diese Störung alles andere als erfreut gewesen waren. Sie hatten mein Fehlen nicht einmal bemerkt, aber immerhin wurde ich an diesem Tag eine weitere der ziemlich unsympathischen Nannys los, die meine Kindheit bestimmt hatten, bis ich endlich fortgeschickt wurde, um eine, wie sie sagten, angemessene Ausbildung zu erhalten. Die Erinnerung ließ mich erschaudern.
Der Mann hinter mir strich über mein Haar und murmelte besänftigende Worte, die mehr wie Zauberformeln klangen, und wenn er es darauf anlegte, mich zu einem willigen Lämmchen zu machen, dann war es eine ziemlich erfolgreiche Strategie. Sein warmer Atem in meinem Nacken wirkte beruhigend, und schließlich lehnte ich mich entspannt zurück.
Doch dieser Friede währte nicht lange. Die Szene vor dem Eingang des rechten Gebäudeflügels verlangte meine volle Aufmerksamkeit, und auch Alan wirkte plötzlich angespannt.
Mindestens ein Dutzend Reit- und Packpferde standen vor der weiten Barocktreppe, die zum Eingang hinaufführte, und zahllose Männer schleppten Kisten, Schachteln und Bündel über die Stufen ins Haus. Wir waren augenscheinlich nicht
die einzigen Neuankömmlinge, und niemand schien von uns Notiz zu nehmen, bis endlich ein Junge im Hemd und barfuß herbeigerannt kam. Er starrte uns mit großen Augen an, und seine Stimme klang beinahe vorwurfsvoll, als er atemlos sagte: »Die Campbells sind angekommen.«
Alan versteifte sich. »Kümmer dich um Brandubh. Keine Angst, er wird dir nichts tun«, fügte er freundlicher hinzu.
Damit ließ er sich vom Pferd gleiten. Während er mich schwungvoll hinabhob und auf die bloßen Füße stellte, versuchte ich hastig, die Wolldecke fester um den Körper zu ziehen.
Der Junge warf einen Blick auf meine nackten Beine, und ich hätte wetten können, dass er einen anerkennenden Pfiff ausstieß. Erbost starrte ich ihn an. Er grinste frech, griff dann aber nach einem weiteren Blick auf den Mann hinter mir nach den Zügeln und führte das Pferd davon.
Alan umfasste meine Taille, warf mich über die Schulter und aus war es mit den aufkeimenden Gefühlen von Dankbarkeit. Wie einen Mehlsack schleppte er mich, zwei Stufen gleichzeitig nehmend, die Treppe hinauf, ganz offensichtlich in der Absicht, keinen der erstaunten Gäste, die sich auf dem Absatz versammelt hatten, zu begrüßen. Wie auch immer ich zu ihm stand, das hielt ich für die beste Idee, die er
Weitere Kostenlose Bücher