Wind Der Zeiten
Balken, zwischen denen bemalte Bretter eingelegt waren. Die Motive konnte ich kaum noch erkennen, so sehr waren sie vom Rauch geschwärzt. Der Fußboden, ebenfalls aus Holz, war von zahlreichen Teppichen bedeckt, nur vor dem Kamin sah ich glänzende Steinfliesen. Lautes Knacken und Zischen ließ mich zusammenfahren. Ein brennendes Torfstück rutschte heraus, dass die Funken stoben. Schnell griff ich nach der eisernen Zange und legte es zurück auf die glimmenden Soden. Dabei verrutschte erneut mein Plaid.
Also gut, dann werde ich mich erst einmal anziehen. Das bereitgelegte Kostüm bestand aus einem Leinenhemd, das sich erstaunlich weich anfühlte, zwei Unterröcken und einem gestreiften Baumwollrock mit passendem Mieder sowie einem braunen Spenzer mit halblangen Ärmeln. Daneben lagen ein Paar Strümpfe und Schuhe. Sonst nichts.
Fest stand jedenfalls, dass die Leute es mit ihren Spielregeln sehr ernst nahmen. Wenn ich mich recht erinnerte, war es selbst in den Jugendjahren meiner Urgroßmutter noch durchaus nichts Ungewöhnliches gewesen, nur im tiefsten Winter Unterhosen zu tragen. Ich allerdings fand dieses luftige Gefühl am Hintern eher gewöhnungsbedürftig und war ganz froh, dass die voluminösen Unterröcke bis zur Wade reichten. Der Überrock war sogar noch ein ganzes Stück länger. Nach Knöpfen suchte ich vergeblich, und so schloss ich nicht nur die Röcke mit einer doppelten Schleife, sondern befestigte auch meine Strümpfe über dem Knie mit den bereitgelegten Bändern. Schwieriger wurde es schon, das Mieder zu schnüren. Es war eindeutig für jemanden mit geringerer Oberweite
geschneidert worden, und es dauerte eine Weile, bis ich den Dreh heraushatte, weder freizügig wie eine Schankmagd noch platt wie ein Bügelbrett auszusehen. Allerdings fühlte ich mich ziemlich eingeengt. Unterdessen war mir heiß geworden – die Luft war vom Feuer ohnehin viel zu warm und stickig –, und ich ging zum Fenster, um es zu öffnen.
In diesem Moment knarrte der Schlüssel im Schloss. Ein metallenes Klirren war zu hören, und die Tür schwang auf. Ich fuhr herum.
Das Mädchen, das vorhin die Kleider gebracht und später ihre Mutter in die Küche gelotst hatte, war zurückgekommen. Sie wirkte nervös und knickste ein wenig unbeholfen.
»Kann ich Ihnen noch etwas bringen – Mylady?«
Die Pause, die sie am Schluss des Satzes gemacht hatte, war deutlich. Sie hielt mich für alles Mögliche, aber sicher nicht für eine Lady. Seltsamerweise war ich beleidigt. Warum eigentlich? Ich war doch wirklich keine Lady. Dieses ganze Rollenspiel machte mich völlig verrückt. Ärgerlich fauchte ich: »Gibt’s hier kein Klo?«
»Mylady?«
»Bist du blöd? Einen Raum, in dem …« Krampfhaft suchte ich nach einer altertümlichen Formulierung. »… in dem ich mich erleichtern kann.«
Begreifen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Unter dem Bett ist ein Nachttopf.« Offenbar hatte sie meinen Blick richtig gedeutet, denn sie beeilte sich zu erklären: »Die Zimmer im neuen Haus haben ein Kabinett, aber hier gibt es nur Nachttöpfe oder den Abtritt.«
»Dann bring mich zu diesem verdammten Abtritt.«
»Der Gleanngrianach hat gesagt …«
»Wer?«
Sie schaute verwirrt. »Der Chief natürlich.«
Da dämmerte es mir, sie nannten ihn wirklich so. Der Herr des Tals und ihr Chef noch obendrein. »Alan«, schnaubte ich ärgerlich und wünschte, wir wären uns niemals begegnet. »Und wer bist du?«
Sie zuckte zusammen. » Mòrag, Mylady.«
Ich erklärte Mòrag ganz genau, was ich von der Anweisung ihres Chiefs hielt, bis sie schließlich seufzte und sagte: »So könnt Ihr aber nicht gehen.« Sie hielt mir die Jacke hin, und widerwillig zog ich sie über. Die Ärmel waren glücklicherweise nicht allzu eng und reichten bis zum Ellbogen, das Hemd schaute ein wenig hervor, was ganz nett aussah.
Mòrag griff nach dem dreieckigen Leinen, das ich für ein Kopftuch gehalten hatte, und drapierte es mir um Schultern und Ausschnitt. Vorn machte sie einen Knoten und stopfte die Zipfel in mein Mieder. »Das muss genügen, Mama hat die Spange vergessen«, murmelte sie und griff nach zwei Kerzen, die sie am Feuer entzündete und in Laternen steckte. Eine davon drückte sie mir in die Hand, öffnete die Zimmertür und wartete, bis ich an ihr vorbei in den Flur gegangen war. Hier gab es zwar keine weiteren Lampen, aber durch die hohen Fenster fiel ausreichend Licht, damit ich die Gemälde betrachten konnte, die in schweren Holzrahmen die
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