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Wind Der Zeiten

Wind Der Zeiten

Titel: Wind Der Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Milch in einen aus Holz geschnitzten Napf und tunkte einen Haferkeks darin ein, bevor sie ihn zahnlos mümmelte. »Du kannst die Hühner hinausbringen«, wies sie Mòrag an. »Fütter sie und vergiss nicht, nach den Eiern zu sehen.«
    Als ich ebenfalls aufstehen wollte, griff sie nach meiner Hand: »Bleib ein wenig bei mir sitzen, Mädchen.«
    Mòrag jagte das protestierende Federvieh von den verrußten Dachbalken ins Freie und verschwand. Mir war ein wenig unheimlich, allein mit der alten Frau. Sie hatte mich nicht losgelassen und drehte nun meine Handfläche nach oben. Keine Ahnung, was sie darin sah, aber sie murmelte unentwegt vor sich hin, bis sie plötzlich verstummte und mich mit klaren blauen Augen ansah. »Du kommst von weit her.«
    »Aus Irland«, stammelte ich die Lüge, die mir nicht leicht von den Lippen ging.
    »O nein, Mädchen. Die Reise, die du zurückgelegt hast, ist länger, als sie ein Menschenkind jemals zurücklegen dürfte.«
    Mir wurde unbehaglich. Woher hatte sie solche Ideen?

    »Das Stille Volk hat dich für Alan Dubh geschickt. Gott allein weiß, dass der Gleanngrianach jede Hilfe gebrauchen kann.«
    »Niemand hat mich geschickt, es war ein Unfall, wir …«, stammelte ich und versuchte vergeblich, Kenna meine Hand zu entziehen.
    Unbeirrt sprach sie weiter. »Du bist im Zeichen der Erde geboren, doch das Wasser bestimmt dein Schicksal.«
    Da war etwas dran, mein Sternzeichen ist zwar Jungfrau, aber eine gewisse Affinität zum Wasser ließ sich nicht leugnen. Meine Freunde nannten mich nicht umsonst Wassernixe, denn ich schwamm und duschte für mein Leben gern, und wenn ich an mein unfreiwilliges Bad und seine Folgen dachte, musste ich der Alten zustimmen. Das Wasser seinerseits schien diese Zuneigung zu erwidern.
    »Er ist dein Element.« Sie murmelte etwas, dass wie und dein Schicksal klang, aber da musste ich mich eindeutig verhört haben.
    »Mein … was?«
    Statt einer Antwort stimmte sie einen merkwürdigen Singsang an.
    So sehr ich mich auch bemühte, ich konnte kein einziges Wort verstehen. Was auch immer das für eine Sprache war, Gälisch war es nicht. Wieso um Himmels willen sollte Alan mein Element sein?
    Moment mal. Angenommen, ich würde an diesen Hokuspokus glauben, dann hielte ich Alan für einen Abkömmling der Feen. Deren Lebensraum wiederum war die Natur. Sie wohnten in Bäumen, Bächen und unter der Erde. War es das, worauf sie anspielte? Ich musste völlig verrückt geworden sein, dass ich mir darüber Gedanken machte.

    Gerade wollte ich aufstehen, da verstummte der Gesang. »Er ist nicht, was er zu sein scheint. Aber er ist ein guter Mann. Wenn es dir gelingt, sein Herz …«
    Dass Alan viele Gesichter besaß, hatte ich selbst schon herausgefunden. Ob man ihn allerdings als gut im Sinne von gutherzig bezeichnen konnte, davon müsste er mich erst überzeugen. Viel mehr als Kennas Lobpreisungen interessierte mich das, was sie nicht gesagt hatte. Glaubte sie tatsächlich, ich hätte eine Chance, sein Herz zu gewinnen? Meines jedenfalls schlug hoffnungsvoll ein wenig schneller als üblich. »Er ist verlobt«, warf ich ohne viel Enthusiasmus ein.
    Sie machte eine Handbewegung, als wollte sie sagen, dass diese Verlobung ebenso bedeutungslos war wie die geplante Hochzeit. »Manchmal muss man sich nehmen, was einem zusteht, Kind.« Jetzt lachte sie, und ihre Stimme klang dabei erstaunlich jung und geradezu verwegen, als wüsste sie genau, wovon sie sprach. Doch schnell erlosch das Leuchten in ihren Augen wieder. Sie legte den Kopf an die Stuhllehne und schloss die Augen, als hätten sie die wenigen Sätze bereits erschöpft.
    »Du musst ihm vertrauen, sonst …« Der Rest ging in undeutlichem Gemurmel unter, und sie verstummte.
    Hier war endlich jemand, der offenbar über meine Reise durch die Zeit Bescheid wusste, und ausgerechnet dieser Mensch schlief einfach ein, als gäbe es nichts Langweiligeres als eine Besucherin aus der Zukunft.
    Nachdem ich vorsichtshalber Kennas Puls gefühlt hatte, legte ich die schlaff gewordene runzlige Hand behutsam in ihren Schoß und stand auf. Das Herz der alten Frau schlug gleichmäßig, anders als meines, das dank ihrer mysteriösen Andeutungen seltsame Hopser zu machen schien.

    Mir fiel ein Satz aus dem Lateinunterricht ein. Die Hoffnung ist es, die die Liebe nährt. Ich wäre momentan schon mit weniger als der Liebe zufrieden gewesen. Ein Wegweiser zurück in das Pub meiner Freunde hätte mir vorerst ausgereicht, um mich glücklich zu

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