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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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versucht hatte, die schrottreifen Kernreaktoren der »Glasnost«-Serie an der UNATOM vorbei auch noch in die zweite Hälfte des 21. Jhdts. hinüberzuretten. Erst nach dem GAU bei Tomsk und den darauffolgenden Unruhen mit eindeutig antizaristischem Akzent beugte man sich der UNO und mottete die letzten zehn Reaktoren ein. Dafür wurde ein bißchen mehr Druck auf die Pipelines gelegt. Und seitdem ging in schöner Regelmäßigkeit ein Landstrich in Sibirien baden, mal milder, mal derber, je nachdem wie schnell die Satelliten im Orbit die Bescherung entdeckten. Bessie hatte die Bruchstelle schon mehrmals überflogen. Weiterhin sprudelte Öl daraus hervor wie Blut aus einer geöffneten Schlagader; die automatischen Selbstreparatureinrichtungen hatten nicht funktioniert, wie immer. Das war nur logisch, denn diese Einrichtungen hätten dringend selbst einer Reparatur bedurft, aber dafür war kein Geld da. In Bessies Helm leuchtete grün das OK-Signal des Computers auf, er hatte in den letzten fünf Minuten aufgrund der Messungen, die Bessie von der Bruchstelle vorgenommen hatte, die beste Konfiguration des Blockers erarbeitet, und es war jetzt Bessies Job, das Pflaster richtig auf die Wunde zu drücken. Mit diesem Teufelszeug konnte man nicht vorsichtig genug sein. Im krassesten Fall, von dem Bessie je gehört hatte, hatte ein Pilot sich mit dem Blocker selbst versiegelt, einschließlich der Rotoren, war direkt neben der noch unverschlossenen Bruchstelle abgestürzt und dabei mit seiner Maschine explodiert. Weil anderen Coptern der Sprit oder die Ersatzteile fehlten und man über Land nur sehr schlecht in das unzugängliche Gebiet gelangte, war eine Woche lang Öl mit Hochdruck in den brennenden See geflossen, und die Rauchwolke hatte den Himmel über Hunderte von Kilometern verdunkelt. Die Experten diskutierten eine Zeitlang, ob sich dadurch das Klima verändern würde. Auch Bessie würde Feuer machen, aber nicht bei offener Leitung, no way, sie war kein blutiger Amateur, und deswegen würde bei ihr der See brennen, aber ohne Nachschub zu bekommen. Zehn Meter lotrecht über der Bruchstelle klinkte sie den Blockertank aus, und über den Sichtschirm ihres Helms verfolgte sie das Geschehen. Es war jetzt dunkel, und sie beleuchtete die Szenerie mit ihren eigenen Scheinwerfern. Der lächerlich klein aussehende Tank traf genau nach Plan auf der südlichen Bruchkante des Rohrs auf, dort wo das Öl herkam. Danach geschah zunächst wenig, scheinbar unregelmäßig verteilte sich eine Art Gallert ringförmig um das Rohr. Aber plötzlich, und dieser Augenblick faszinierte Bessie immer wieder, schien der Gallert zu wachsen, stülpte sich rasend schnell aus, und griff von selbst nach der gegenüberliegenden Bruchkante, haftete sich dort an und überbrückte schließlich völlig die freie Strecke, die durch den Bruch freigelegt worden war. Nach dreißig Sekunden sah das Ganze aus wie die durch ein transparentes Häutchen verbundenen Enden zweier Rohrleitungen, und durch die Haut hindurch konnte man das dunkle Öl fließen sehen. Wie immer hatte Bessie den Eindruck, daß das transparente Häutchen pulsierte. Tatsächlich kam der Blocker aus der Unfallmedizin, zuerst hatte man ihn dazu benutzt, Leute am Verbluten zu hindern, deren Schlagadern verletzt waren, bis man auf die Idee gekommen war, auch größere Löcher damit zu stopfen. Es gab mittlerweile Versionen davon für die Tiefsee und für den Weltraum. Sachte, sachte hob Bessie ihren Copter von der Bruchstelle weg, es war vorgekommen, daß der Abwind der Rotoren den Blocker bei der Aushärtung gestört hatte, und der ganze Spaß war von vorne losgegangen. Sie würde eine halbe Stunde warten müssen, bevor sie den See anzünden konnte, und um sich die Zeit zu vertreiben, umflog sie das Prachtstück einmal ganz. Das Öl bedeckte mindestens zehn Quadratmeilen Land, wäre der See aus Wasser gewesen, hätte man gut darin surfen können.
    »Delta Base, hier Saunders, Einheit rot.«
    »Hier Delta Base. Wir hören, Pilotin Saunders.«
    Ein Glück. Schichtwechsel. Alexeij war abgelöst worden.
    »Der Bruch ist versiegelt, ich umfliege gerade den See. Ist wirklich riesig. Mit Normalprozedur fortfahren?«
    Kurze Pause.
    »Wir haben die Daten hier. Weiter mit Normalprozedur.«
    »Verstanden, Delta Base. Over and out.«
    Ihr werdet Probleme mit der UNO kriegen, nicht ich, dachte sie. Sie setzte sich in Bewegung, bis sie einhundert Meter hoch genau über der Mitte des Sees schwebte, und machte die

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