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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Donald den Vertrag vorgelesen hatte, war er froh gewesen, daß der Junge ihn nicht unterbrochen hatte, nur das zynische Grinsen im Gesicht dieses Kindes hatte ihn weiterhin beunruhigt. Immerhin hatte der Junge mehrfach mit dem Kopf genickt, aber Donald war sich nicht ganz sicher, ob damit irgendeine Form von Zustimmung gemeint gewesen war. Eine relativ nackte Kellnerin trat in diesem Moment durch den Vorhang, der das Separee vom Rest der Bar trennte, scheinbar wollte sie eine Bestellung aufnehmen. Verblüfft bemerkte Donald, wie sich der tätowierte Blätterwald auf ihrer Brust mit ihren Atemzügen zu bewegen schien, es konnte aber auch sein, daß dieses Getränk da vor ihm nicht ganz hasenrein war. Mit einer lässigen Bewegung seiner linken Hand schickte der Junge die Frau wieder weg, und als sie gegangen war, sagte er:
    »Das ist ein sehr schöner Vertrag. Ein Musterstück von einem Vertrag ist das, muß ich schon sagen. Ich mag ihn. Geben sie mir etwas zu schreiben, damit ich ihn unterzeichnen kann.«
    Donald zückte routiniert einen Kugelschreiber und atmete innerlich tief durch. Der Junge unterschrieb beide Exemplare des Vertrages sehr zügig, scheinbar hatte er in letzter Zeit Gelegenheit gehabt, sich im Unterzeichnen zu üben. ›Alles geht glatt‹, dachte Donald erleichtert.
    » Sagen Sie, Mr. … Mr. …«
    »Fulbright.«
    »Mr. Fulbright, natürlich, sagen Sie, sind Sie eigentlich manchmal dabei, wenn ihr ›Mandant‹ kleine, betäubte Jungs in den Arsch fickt und dabei ihre abgeschnittenen Beine abnagt? Ich meine, so ganz unter Freunden? Haben Sie in mein Bein zufällig auch mal reingebissen?«
    Oha, dachte Donald.
    »Mr. Carmichael, Sie scheinen zu denken, daß ich in gewisser Weise ein Freund von Mr. Corner bin, nur weil ich ihn juristisch vertrete. Aber Sie können mir glauben, daß ich ihm in den fünf Jahren, die ich das nun tue, nicht einmal direkt gegenübergestanden bin. Wir verkehren ausschließlich über Telekommunikationseinrichtungen miteinander.«
    Der Junge nickte bedächtig.
    »Wie schön für Sie. Wissen Sie, Mr. Corner hat nämlich die garstige Eigenart, mit manchen Leuten über seinen Schwanz zu verkehren, die das gar nicht wollen. Sehen Sie sich vor, wenn Sie ihm einmal persönlich begegnen. Na egal. Hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
    Und er streckte Donald die Hand hin, die mit dem leuchtenden Finger. Donald ergriff sie. Sie schüttelten einander ausgiebig die Hände. Dann sagte der Junge wie in die Luft hinein:
    »Gabriel?«, und eine körperlose Stimme antwortete: »Ja, Mr. Carmichael?«
    »Der Herr an Tisch 14«, sagte der Junge, »wünscht eine Spezialbehandlung. Ich glaube, er ist schon ganz scharf darauf.«
    »Sofort, Mr. Carmichael. Wird erledigt.«
    Donald fühlte sich erbleichen.
    »Was hat das zu bedeuten? Was passiert hier?«
    »Beruhigen Sie sich. Es wird fast gar nicht weh tun. Wenn Sie sich allerdings wehren, kann ich für nichts garantieren. Gabriel ist sehr stark, wissen Sie. Hasta la vista.«
    Und hinaus war er. Donald sank auf seinen Stuhl zurück, sein Herz schlug mächtig.
     
    »Wer war Aristoteles, hm, Benny?« fragte der Mann mit der Brille aufmunternd.
    Benny sah an sich hinab und spielte mit dem Stoff seines neuen Spiegelhemdes. Wenn man durch einen Wald ging, warf der Stoff die Farben und Formen der Blätter zurück, und wenn man von jemand angesehen wurde, dann spiegelte sich das Gesicht des Ansehers darin, und wenn man an sich herabsah, konnte man sich selbst in die Augen sehen, je nachdem. Benny preßte den Stoff seines Hemdes ein bißchen, so daß sich das Gesicht des Mannes mit der Brille völlig verformte, zum Beispiel hatte er plötzlich gar keine richtige Nase mehr. Und als er seinen Hals noch mehr beugte und an seinem Bauch den Stoff zusammenraffte, sah er sich selbst, aber er hatte in seinem Spiegelbild nur ein Auge. Um seinen Kopf herum spiegelte das Hemd das Zimmer, in dem sie saßen: die rosa Wände und die Decke mit weißen Klecksen darauf, die aussahen wie Gebäck, das aussah wie Vögel und Früchte. Und den geschwärzten Kamin mit der kleinen Uhr darauf, die nicht ging. Eines Tages, als er zwei gewesen war, hatte er zu seiner Mutter gesagt, daß die Uhr nicht ging, und seitdem kamen mittags die Lehrer zu ihm, erst eine Frau, die Nanni geheißen hatte, und jetzt dieser Mann, der Frank hieß. Benny erinnerte sich daran, daß sein Vater gesagt hatte, er solle nicht so oft mit dem Spiegelhemd spielen, weil es dann sehr schnell

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