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Wind & Der zweite Versuch

Wind & Der zweite Versuch

Titel: Wind & Der zweite Versuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Stunden bis Alarm grün geben, und bis dahin hatte er vielleicht Tina überzeugt. Schade nur, daß er dann nicht dabei sein konnte, wenn die Rotorblätter in sich zusammenfielen. Er hatte während seiner Ausbildung in dem geschlossenen Haus einmal einen Film über Sandro Cesarini, den ersten Konstrukteur der Dünnschichtrotoren, gesehen und dort war der Vorgang gezeigt worden, der ihn eigentlich auf die Idee gebracht hatte: Falterflügel, die sich nach dem Ausschlüpfen aus der Larve aufspannten wie Regenschirme. Und das Einfahren der Rotorblätter sah genau wie eine Umkehrung dieses Prozesses aus: ein eleganter, quasibiotischer Prozeß, der Eddie jedesmal Schauer über den Rücken gejagt hatte. Er würde nicht dabeisein, und die Rotorblätter würden nicht abreißen. Vielleicht würde ihm darum auch die Impact nicht den Kopf abreißen, wenn diese ganze Scheiße vorbei war. Als er an Deck ging, zog eine Polizeilibelle ziemlich tief über Bravo West dahin, aber sie begann nicht zu kreisen, und Eddie hoffte, der Automat habe den Wasserläufer hinter Pfeiler C nicht bemerkt.
     
    Emden lag wie tot, wenn man von den industriellen Geräuschen und dem Libellensurren in der Luft absah. Kaum Fußgänger auf den Straßen, als sei es hier gefährlich. Das war es nicht. Seit zwanzig Jahren hatte die Kriminalkonjunktur langsam, aber kontinuierlich nachgelassen, und die Polizei hatte große Mühe, ihren ständig steigenden Etat zu begründen. Gründe, dachte Eddie und schnaubte leicht aus, indem er vor sich hintrottete. Deutschland ist ein Land ohne Gründe. Seit dreißig Jahren von der derselben Partei regiert, seit dreißig Jahren ohne nennenswerten Aufruhr, seit dreißig Jahren in Auflösung (sagten die einen), in Metamorphose (sagten die anderen). Ein anarchistischer Polizeistaat. Imperialismus auf Freiwilligenbasis. Freiwillige für Griechenland z.B. gab es immer noch genug. Noch für jeden deutschen Krieg seit dem Bosnienfeldzug und erst recht seit den inneren Unruhen 2001/2002 hatte es genug Freiwillige gegeben. Es gab sie auch für die militanten »Untergrundbewegungen« von links und für die notorischen Faschistenvereine, die immer mal wieder ein Bolo verbrennen wollten und die Welt nicht mehr verstanden, weil Deutschland groß war und Kriege führte, aber auf Freiwilligenbasis. Was den Krieg anging, waren die Bolos echte Wasserscheiden. Wer nicht in ein Bolo gehen wollte, wer auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht brauchbar war, wer keine Familie hatte, um in die Kolchosen zu gehen, der ging in die Armee. Männer hier lang, Frauen da. Es gab wieder Tauschhandel, Basare für jedes Bedürfnis direkt neben der Frankfurter Cyberbörse. Hier der kleine Marmorquader, in dem biotische Rechner die Warenströme Europas lenkten, bewacht von den metallischen Hornissen der Eliteeinheiten, und daneben das Feilschen um Naturgemüse. Ein sogenannter freier Markt, den die Konzerne bestimmten, ein kleinerer, öffentlich gesteuerter, mit staatskommunistischen Zügen (auch wenn das niemand zugab), und das Unkraut der Boloökonomie. Koexistenz im Westentaschenformat. Freiheit bis hierher und nicht weiter. Von der Sowjetunion lernen heißt rumwurschteln lernen. Der freie Energiemarkt gehörte einem Firmencluster, der sich aus Siemens, den VEW, EFF (European Fission and Fusion), Impact, Solar Power und einigen kleineren Spezialisten für Nischenmärkte (Biogas etc.) zusammensetzte. Nirgendwo sonst war die Konzentration so hoch. Nirgendwo sonst. Die Konzentration … die Konzentration … Eddies ließ nach. Müdigkeit sickerte aus seinen Knochen und tränkte seinen ganzen Körper wie Öl einen trockenen Schwamm. Er hatte heute schon einen Toten gesehen. Das war ihm noch nie vorher passiert. Er wollte nach Hause. Er fühlte sich schon in der Nähe von Menschen unwohl; wenn er bedachte, daß er auf Dauer mit ihnen in Tuchfühlung sein würde, kam es ihm wieder hoch. Hoffentlich hatte er die Selbstidentifikation des Wasserläufers gründlich ruiniert, der jetzt lahm und stumm an einem aufgegebenen Pier im Hafen lag. Wenn die Bullen rausfinden wollten, wem das Teil gehört hatte, mußten sie es erst aufschrauben, das konnte eine Weile dauern. Und vielleicht war es morgen früh sowieso nicht mehr erkennbar, wenn die richtige Art von Jugendlichen oder ein Bolotrupp mit Bedarf an Carbonfaserbauteilen vorbeigekommen war. Eddie merkte erst, daß er an seinem Ziel angekommen war, als er schon direkt vor den roten Häusern stand.
     
    Er schreckte vor dem

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