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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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äußerte sich nicht zu diesem Thema. »Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Sergeant. Morgen reise ich ab. Die Torrens ist ja längst über alle Berge, aber ich habe einen Platz auf einem Küstendampfer nach Brisbane.«
             
            Mr. Li kam zum Hafen, um Raymond sicher an Bord gehen zu sehen, und als er sich verabschiedet hatte und sich zum Gehen wandte, kam ein anderer Chinese den Kai entlanggeschritten. Er war eine bemerkenswerte Erscheinung, fand Raymond und bemühte sich, ihn nicht so aufdringlich anzustarren. Der Mann war jünger und größer als Mr. Li, und er trug die elegante, gestärkte Jacke der Oberschicht, dazu einen mit Perlen bestickten krempenlosen kleinen Hut, doch was Raymond besonders ins Auge stach, war das reich verzierte Schwert, das an seiner Hüfte hing.
            »Tja, so etwas sieht man nicht oft in diesem Land«, sagte Raymond zu einem Seemann, der in der Nähe arbeitete, doch dann sah er zu seiner Verwunderung, wie Mr. Li sich umwandte und mit dem Neuankömmling sprach. Nach zahlreichen Verbeugungen verließen sie gemeinsam den Kai.
            Raymond wünschte sich, ein paar Tage länger geblieben zu sein. Der Bursche hatte so interessant ausgesehen. Diese faszinierenden Menschen würden ihm fehlen, wenn er jetzt ins alltägliche Leben zurückkehrte – und wie sah dieses Leben aus? Er war Ex-Politiker und Anwalt ohne jegliches Interesse an seinen Klienten aus der Stadt und ihren banalen Problemen. Und er war auch nicht darauf versessen, nach Hause zurückzukehren, weswegen er auch so lange bei Mr. Li geblieben war und sich auf mindestens einen Tag Aufenthalt in Cairns freute, um sich von seinen neuen Freunden das Neueste berichten zu lassen.
            »Das nennt man Schwänzen«, sagte er zu sich selbst und hätte gern gewusst, was Mr. Li von dieser Diagnose halten würde.

 

  11. Kapitel

 
            Der Regen fiel in dicken Tropfen, prasselte auf das Blechdach und tünchte die Bucht in ein bleiernes Grau. Dampf stieg aus den Straßen auf, schwül nach Jasmin duftend. Einige Pelikane schwebten durch den schweren Dunst und landeten an der grasigen Küste. Drei Reiter in glänzendem Ölzeug ritten die Straße entlang. Die Krempe hing schlapp an den nassen Hüten, doch die Männer nahmen den Regen genauso gleichgültig hin wie die Pelikane.
            Esme saß auf einem Hocker auf der Veranda und blickte himmelwärts. »So, wie es regnet, könnte ich glauben, ich wäre in Hongkong«, sagte sie zu ihrem Bruder Arthur. »Solange ich nicht nach unten schaue. Weil da unten nämlich nichts ist. Kein Mensch. Nein, das ist gelogen. Ein paar Reiter sind vorbeigekommen. Sie sahen aus wie Gespenster, graue Gespenster, und vielleicht waren sie auch welche, wer weiß. Die Geister verlorener Seelen, die in dieses Land gekommen und mitten auf der Straße gestorben sind, was erst am Markttag bemerkt wurde.«
            Sie kicherte, griff nach der Flasche und dem Glas, das sie beides auf einem Tischchen abgestellt hatte, und schenkte sich noch einen Whisky ein.
            »Trink aus, Brüderchen. Wie war noch dieser Witz, den wir immer erzählt haben? Warum ist der Herzog in den Ententeich gesprungen?«
            »Ja, warum?« Neville stand an der Tür zu ihrem Schlafzimmer.
            Sein plötzliches Auftauchen ließ sie zusammenzucken. »Ich weiß nicht«, murmelte sie feindselig.
            »Bisschen früh am Tag für so harte Sachen, meinst du nicht auch, mein Schatz?«
            Esme hob die Schultern. »Ist das nicht völlig egal?«
            »Wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass auf der anderen Seite des Globus Nacht ist. Ich habe dich reden gehört. Hast du wieder mit Arthur gesprochen?«
            Sie wandte sich ab und verweigerte ihm die Antwort.
            »Weißt du, Schatz«, sagte er nach einer Weile. »Die Sache ist die: Ich mache mir Sorgen um dich. Ich glaube nicht, dass es dir gut tut, wenn du ständig mit Arthur redest.«
            »Wieso nicht? Ich liebe meinen Bruder.«
            »Natürlich. Er war auch mein Freund. Aber es ist ziemlich sinnlos. Arthur ist tot.«
            »Das weiß ich«, sagte sie leise.
            »Manchmal bin ich mir dessen nicht so sicher, Es. Manchmal habe ich den Eindruck, du hast vergessen, dass er tot ist. Gestern hast du gesagt, er käme zum Mittagessen.«
            »Stimmt ja gar nicht!«, sagte sie

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