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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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Gestalt vorbeizuspähen, doch Esme kam zur Tür.
            »Was gibt’s?«
            »Constance wird spazieren gegangen sein«, antwortete Neville.
            »Um diese Zeit?« Esme wandte sich Lyle zu. »Tut sie das öfter?«
            »Sie geht manchmal allein spazieren, ja. Aber niemals so spät am Abend.«
            »Wohin geht sie, wenn sie das Haus einmal verlässt? Wen besucht sie?«
            »Niemanden, soviel ich weiß. Ich rate ihr, lieber spazieren zu gehen als immer nur im Zimmer herumzusitzen. Im Hotel zu wohnen ist zermürbend, da geht es Ihnen sicher ähnlich. Keine Privatsphäre. Ich kann es kaum erwarten, wieder zu Hause zu sein.«
            »Ja«, sagte Neville. »Aber es ist ja nur vorübergehend.« Er furchte die Stirn. »Wenn Ihre Frau nicht im Hotel ist, sollten wir sie besser suchen. Warten Sie, ich ziehe mir etwas an, es dauert nur ein paar Sekunden …«
            »Wirklich anständig von Ihnen«, sagte Lyle leise, als die Tür sich schloss und er verwirrt und ziemlich verärgert allein im dunklen Flur zurückblieb. War die Frau einfach nur spazieren gegangen oder tat sie das absichtlich, um ihn zu ärgern? Wenn ja, dann war es ihr gelungen. Er würde ihr gehörig die Meinung sagen, wenn sie zurückkam. Was für ein idiotisches Spielchen! Idiotisch war das richtige Wort; seit Lewis sie zurückgebracht hatte, führte sie sich auf wie eine Idiotin. Er hätte sie lassen sollen, wo sie war, verdammt!
            Caporn, in weitem Hemd, Hose und Schuhen, kam bald aus dem Zimmer, und gemeinsam stiegen sie leise die Treppe hinunter und sahen nach den Kartenspielern, bevor sie auf die Straße traten.
            »Eines ist merkwürdig in dieser Stadt«, bemerkte Neville. »Es gibt nirgendwo Schlösser. Im Hotel gibt es kein Nachtpersonal, und trotzdem ist es nie abgeschlossen.«
            »Schlösser haben uns auf der China Belle verdammt wenig nützt«, erwiderte Lyle gereizt. »Sehen Sie sie irgendwo?«
            »Nein. Am besten gehen wir an der Vorderseite entlang. Es ist sehr heiß; vielleicht will sie nur Luft schnappen.«
            Lyle nickte. »Verdammt blöde Idee, wenn Sie mich fragen.«
            Sie gingen die Esplanade entlang, bis sie zu den Mangroven kamen, überquerten die Straße und gingen auf dem Pfad an der Bucht entlang zurück zum Hafen. Auch hier trafen sie keine Wachen an. Sie suchten das Hafengebiet ab, bevor sie in die Stadt zurückkehrten und die Straßen abgingen, in denen in Pubs und Spielhöllen gelärmt wurde. Weiter unten war das berüchtigte Bordell Blue Star hell erleuchtet und wartete auf Kundschaft.
            Lyle blieb zurück, während Neville die Damen dort höflich fragte, ob sie eine ziellos umherwandernde hochgewachsene Frau gesehen hatten. Sie verneinten, versprachen jedoch, die Augen offen zu halten.
            »Sie wird schon wieder auftauchen, Mister«, rief eine der Huren. »Kommt ihr beide doch rein und habt ein bisschen Spaß mit uns.«
            »Heute Abend nicht.« Neville lächelte.
            »Frechheit«, sagte Lyle empört.
            »Es würde mich nicht wundern, wenn Mrs. Horwood inzwischen zurück wäre. Sie ist sicher nur einmal um den Block gegangen.«
            »In dieser Stadt dauert es aber nicht Stunden, wenn man einmal um den Block geht.«
            Aber Constance war nicht zurück, und die Kassels mussten informiert werden. Mrs. Plummer erfuhr es also zwangsläufig auch. Lyle war übel vor Beschämung. Er bestellte einen Brandy, nahm im Wohnzimmer in Türnähe Platz und wünschte sich, er wäre im Zimmer geblieben und hätte gewartet, bis Constance freiwillig zurückkam.
            Esme Caporn, inzwischen sehr besorgt, kam im Morgenrock nach unten. »Haben sie sich gestritten?«, flüsterte sie Eleanor zu.
            »Ich weiß es nicht, meine Liebe. Und wir können ihn wohl kaum danach fragen.«
            »Ich sehe lieber selbst noch einmal nach«, sagte Franz Kassel. »Ich durchsuche den Garten und die Ställe und gehe noch einmal durch die Stadt, falls Sie hier bei meiner Frau bleiben würden, Mr. Horwood. Die anderen können schlafen gehen, danke. Mehr ist hier nicht zu tun.«
            Lyle blieb also mit Mrs. Kassel zurück, die unablässig mitleidige Kommentare von sich gab, was ihn noch mehr verärgerte. Er wünschte sich Schlösser an den Türen. Dann hätte er seine

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