Wind des Südens
völlig den Verstand verloren?«
»Ich sagte nur, ich hätte ihnen meine Dienste angeboten.«
»Um Himmels willen.«
Mal steckte den Kopf aus der Tür, bestellte beim Barmann zwei Whiskys und blieb wie ein Wächter auf der Schwelle stehen, bis die Getränke serviert wurden.
»Ich laufe Ihnen schon nicht weg.« Grinsend nahm Chang sein Glas entgegen.
»Darauf können Sie Gift nehmen. Also alles noch mal: Ich will die ganze Geschichte hören.«
Chang seufzte. »Warum? Es geht Sie nichts an. Die Sache ist erledigt. Tussup ist tot, glauben Sie mir. Er ist draußen an der Straße begraben. Bestimmt wird bald jemand die Leiche entdecken, wenn die wilden Tiere sie nicht vorher wegschleppen. Aber es wird schwierg sein, ihn zu identifizieren, weil er weder Papiere noch Geld bei sich hat.«
»Warum? Haben Sie ihn etwa auch noch beraubt?«
»Natürlich nicht! An seiner Person wird nichts zu finden sein, was der Polizei weiterhilft. Doch Sie wissen, dass er tot und Ihre Suche sich damit erledigt hat. Also ist es in Ihrem eigenen Interesse, sich rauszuhalten, wenn Sie nicht wollen, dass man Sie des Mordes an ihm verdächtigt. Woher sonst sollten Sie nämlich das Versteck der Leiche kennen?«
»Weil Sie es mir verraten haben, Sie Wahnsinniger.«
Schmunzelnd schüttelte Chang den Kopf. »Was verraten? Mein Diener, der mich hierher begleitet hat, kann bezeugen, dass ich hier bin, um mit Herrn Lis Goldgräbern zusammenzutreffen, bevor ich meine Reise zur Küste fortsetze. Der Mann, von dem Sie reden, ist uns nicht bekannt. Sie waren doch derjenige, der ihn überall gesucht hat. Aber keine Sorge, darüber brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Wir verlassen dieses Land und kehren zurück nach China, so schnell der Wind uns trägt.«
Erbost sah Mal den hoch gewachsenen Mann an, dessen Miene so ruhig war, als hätte er gerade in der Sonntagsschule ein Gebet aufgesagt.
»Woher wussten Sie, dass es Tussup war, wenn er keine Papiere bei sich hatte?«
»Weil ich ihn verfolgt habe, seit er sich in Maytown mit Vorräten eingedeckt hat. Er hatte ein Packpferd bei sich, das mir der Ladenbesitzer, dankbar für ein bisschen Kleingeld, gern beschrieben hat. Und als ich ihn endlich vor mir hatte, habe ich ihn mit seinem Namen angesprochen. Es war Tussup, da können Sie sicher sein. Der Bart konnte ihn nicht tarnen.«
Mal war entsetzt. »Sie haben ihn tatsächlich erschossen?«, keuchte er.
»Wie oft soll ich das noch wiederholen? Machen Sie nicht so ein trauriges Gesicht. Er war Abschaum, ein Mörder. Die Welt kann froh sein, dass sie ihn los ist.«
Mal stürzte seinen Whisky in einem Schluck hinunter. Tussup ein Mörder?
»Was habe ich nur getan?«, fragte er sich entgeistert. »Ich war so besessen von meiner Rache, dass ich alle Beteiligten, die Mannschaft und Tussup, über einen Kamm geschoren habe. Wir wissen, dass Tussup den Bootsmann nicht umgebracht hat. Es war entweder Bartie Lee oder Mushi Rana. Tussup hatte Jun im Boot. Sie ist von selbst gesprungen. Er hat sie nicht gestoßen. Sie ist gesprungen.«
»Übrigens«, fuhr Chang fort, »hat man einige der malaiischen Matrosen tot in einer eingestürzten Mine gefunden …«
»Seien Sie endlich still!«, zischte Mal.
Die ganze Zeit über war er davon überzeugt, dass Tussup mitschuldig am Tod seiner Frau war – er hatte alles angestiftet und war deshalb ein Komplize der Meuterer. Nun jedoch musste er feststellen, dass seine Rede weit reichende Konsequenzen gehabt hatte. In seiner Wut hatte er Tussup öffentlich als Mörder bezeichnet. Bartie Lee und Jake Tussup: Mörder. Und er konnte die Augen nicht davor verschließen, dass seine wahnwitzige Anschuldigung nicht folgenlos geblieben war. Was hatte er getan? Zornig stieß er seinen Stuhl weg und stürmte hinaus.
17. Kapitel
Zu seinem Entsetzen hatte Raymond Lewis erfahren, dass Cairns von einem Wirbelsturm verwüstet worden war. Voller Angst um seine Freunde stürmte er aus dem Haus, um eine Zeitung zu kaufen, und las dort, dass drei Menschen bei dem Sturm ums Leben gekommen waren, unter ihnen Mr. Neville Caporn, ein Gentleman aus Hongkong.
Sein Sozius Gordon McLeish blickte
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